Asien-Experte: Anti-Terror-Garantie der Taliban fragwürdig

Asien-Experte: Anti-Terror-Garantie der Taliban fragwürdig
19.08.2021
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Die Zusage der radikalislamischen Taliban, Terrororganisationen in Afghanistan keinen Rückzugsort zu bieten, ist nach Ansicht des Politikberaters Leo Wigger fragwürdig. Es sei zwar plausibel, dass die Taliban-Führung diese Garantie umsetzen wolle, doch ob ihr das am Ende auch gelinge, sei unklar. Um das seriös einzuschätzen, sei es noch zu früh, sagte der Projektmanager bei der Candid-Foundation, einem Berliner Thinktank, und Spezialist für Zentral- und Südasien dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Im Abkommen zwischen den militant-islamistischen Milizen und der US-Regierung im Februar 2020 war vereinbart worden, dass die Terrororganisation Al-Kaida keinen Rückzugsort in Afghanistan mehr finden soll. Al-Kaida mit ihrem Führer Osama bin Laden war verantwortlich für die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Nach den Flugzeug-Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington hatte die Afghanistan-Invasion durch die USA begonnen. Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte entschieden, den Militäreinsatz 2021 zu beenden.

Die Zusage der Taliban sei zwar insofern glaubwürdig, weil sie kein Interesse an einer erneuten Militärintervention hätten und wirtschaftlich von ausländischen Hilfsgeldern abhängig seien, sagte Wigger. Zudem seien die Taliban eine lokal und nationalistisch agierende Organisation. Ihnen gehe es nicht darum, einen Rückzugsraum für den globalen Dschihad zu bieten. Die Taliban hätten bewusst ein Emirat ausgerufen. Im Unterschied zu einem Kalifat, das etwa die Terrororganisation „Islamischer Staat“ angestrebt hatte, stelle das Taliban-Emirat keinen Anspruch, über Afghanistan hinaus zu wirken.

Die Unsicherheit bestehe darin, dass die Taliban aus regional sehr unterschiedlichen Fraktionen bestünden und personell durch die raschen militärischen Erfolge bereits an ihre Grenzen stießen. Der mit den Taliban verfeindete „Islamische Staat“ sei auch in Afghanistan längst aktiv.

Im Norden des Landes, der eigentlich keine Hochburg der Taliban sei, habe man vermehrt auf ausländische Kämpfer aus Usbekistan, Tadschikistan sowie einige Uiguren gesetzt, die sich dem internationalen Dschihad verpflichtet fühlten und auf lokaler Ebene teils mit Al-Kaida kooperierten. Der Taliban-Führung drohe dort eine strategische Zwickmühle, so Wigger. „Lassen sie das laufen, riskieren die Taliban Probleme mit der internationalen Gemeinschaft. Gehen sie jedoch gegen diese Auswüchse vor, dann könnten sich radikalisierte Teile der Taliban dem verfeindeten IS anschließen.“