Asien-Experte sieht noch keine Lösung für afghanische Flüchtlinge

Asien-Experte sieht noch keine Lösung für afghanische Flüchtlinge
18.08.2021
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Nach der Machtübernahme der Taliban befinden sich nach Ansicht des Außenpolitik-Experten Leo Wigger die meisten Flüchtlinge in Afghanistan in einer nahezu ausweglosen Lage. Die Taliban kontrollierten alle Landesgrenzen, so dass eine Flucht in Nachbarländer für Menschen, die aus humanitären Gründen verfolgt würden, äußerst risikoreich sei, sagte der Projektmanager bei der Berliner Candid-Foundation, einem politischen Thinktank, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das betreffe vor allem Ortskräfte der Nato-Truppen und Hilfsorganisationen, aber auch Journalisten und Frauenrechtsaktivistinnen.

Hinzu komme, dass sich bereits jetzt Probleme bei der Flüchtlingsaufnahme in den Nachbarländern abzeichneten. Im Iran herrsche derzeit eine politische und wirtschaftliche Krise, sagte Wigger. Die Türkei habe ihre Grenzen für durchreisende afghanische Flüchtlinge aus dem Iran ebenfalls blockiert. Afghanistans Nachbarland Pakistan habe zwar schon in der Vergangenheit viele afghanische Flüchtlinge aufgenommen, wolle diese aber eher loswerden. Die Nachbarländer im Norden, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan, hätten ihre Grenzen abgeriegelt.

Demgegenüber seien Angebote einer Kontingent-Aufnahme etwa aus Kanada, Albanien, Nordmazedonien und dem Kosovo sowie Kirgisistan sehr begrenzt, sagte Wigger. „Die große Lösung sehe ich derzeit nicht“, sagte der Spezialist für Zentral- und Südasien. Wahrscheinlich sei aber, dass die EU versuche Flüchtlingsbewegungen nach Europa durch Deals mit Regionalmächten zu unterbinden.

Wie hoch das Gewaltpotenzial der Taliban sei, könne derzeit noch nicht zuverlässig eingeschätzt werden, sagte er. „Jetzt muss sich zeigen, wie zuverlässig die zahlreichen Zusagen der Taliban sind, die sie bei den Verhandlungen in Doha gemacht haben“, sagte Wigger. In Doha, der Hauptstadt Katars, hatten die Taliban zuletzt mit den USA, der afghanischen Regierung und auch deutschen Diplomanten verhandelt. Bis zuletzt habe die deutsche Regierung große Hoffnungen in diese riskante Strategie gesetzt. Das sei jedoch nicht ausreichend mit alternativen Maßnahmen flankiert worden. „Das war sehr riskant und mehr als fragwürdig“, sagte Wigger, der auch für das „Zenith-Magazin“ schreibt.