Berlin (epd). Der frühere afghanische Außenminister, Rangin Spanta, hat den kurzfristigen Abzug der internationalen Truppen aus seinem Land scharf kritisiert. „Der Abzug geschah sehr plötzlich, über Nacht, überstürzt“, sagte Spanta am Samstag im Deutschlandfunk. Die Bevölkerung sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden und sitze nun in einer Falle.
Er habe erhebliche Zweifel, dass man ein Land mit Hilfe des Auslands demokratisier könne, ohne die inneren Dynamiken des Landes adäquat zu berücksichtigen, sagte Spanta. Die militärische Präsenz sei beim internationalen Einsatz in Afghanistan überbetont worden, ohne die Ursachen für den Terrorismus zu bekämpfen. Man habe auch nicht den Staatsaufbau oder die Entwicklungspolitik in den Vordergrund gestellt. Stattdessen sei die afghanische Bevölkerung permanent bombardiert worden.
Einige Errungenschaften beispielsweise im Bildungssektor, bei den Frauenrechten und der Pressefreiheit habe die ausländische Intervention über 20 Jahre lang gebracht, erläuterte der frühere Außenminister. „Das wird jetzt zum großen Teil wieder verloren.“
Nur noch wenige Ortsteile sind unter Kontrolle der afghanischen Regierung, die ausländischen Vertretungen planen die Evakuierung der meisten Mitarbeitenden. Spanta zufolge ist es sehr wahrscheinlich, dass die Taliban die Macht im Land komplett übernehmen werden. Viele Regionen seien kampflos gefallen.
Es müsse schnellst möglichst einen Waffenstillstand geben, um die Gewalt gegen die zivile Bevölkerung zu beenden. Das gehe nur, in dem man Pakistan, das die Taliban unterstütze, unter Druck setze. Die Bundesregierung solle sich weiter für einen Friedensprozess engagieren und sich bei der Formulierung von Lösungsansätzen von den USA lösen, forderte Spanta.