Extremismusforscher Zick: "Querdenker" werden weniger und radikaler

Extremismusforscher Zick: "Querdenker" werden weniger und radikaler
30.07.2021
epd
epd-Gespräch: Holger Spierig

Bielefeld (epd). Die vor einem Jahr in der Corona-Pandemie gestartete „Querdenker“-Bewegung ist nach Einschätzung des Extremismusforschers Andreas Zick zwar kleiner, aber radikaler geworden. Sie habe sich professionalisiert und Netzwerke gebildet, sagte Zick in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch mit weniger Zulauf werde die Bewegung mit weiteren Aktionen auf sich aufmerksam machen und das Themenfeld erweitern. Die für Sonntag geplante Demonstration in Berlin diene auch dazu, die Bewegung zu sammeln, erläuterte der Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld.

Die „Querdenker“ und die vielen Splittergruppen auf den Protesten seien ein Ausdruck eines neuen Populismus in der gesellschaftlichen Mitte, erläuterte Zick. Dort entwickele sich eine neue radikale, von Verschwörungen bewegte und scheinbar bürgerliche Widerstandsbewegung. Diese sei nicht einfach als „rechtsextrem“ einzustufen, sie habe beispielsweise kein Gegenmodell zur Demokratie.

Das Ausmaß, wie die „Querdenker“-Bewegung das Thema „Widerstand und Freiheit“ in Ideologien und Aktionen verbinde und von der Distanz zu etablierten Institutionen der Demokratie lebe, sei ähnlich wie bei den „Reichsbürgern“, erklärte der Wissenschaftler. Aktuell nutzten die „Querdenker“ die Diskussion um die Impfpflicht. Sie würden zunehmend auch auf den Themenfeldern Klimaschutz und Freiheitseinschränkungen aktiv.

Dass sich „Querdenker“ auch unter die Helfer in den Regionen der Flutkatastrophe mischen, ist nach Worten Zicks keine Überraschung. Die Strategie sei einerseits, global im Bund ab und an eine Großdemonstration zu veranstalten, um den „Bewegungscharakter“ zu unterstreichen. Lokal würden sie aber vor Ort und im Internet handeln, Gruppen bilden und sich als wahre Vertretung des Volkes zeigen: „Wir kennen das alles aus dem Rechtsextremismus, der sich auch in den 1990er Jahren in Bürgerhilfen und lokal vor Ort gezeigt hat“, erklärte Zick.

Wie auch bei anderen Bewegungen gehe der Zulauf durch interne Machtkämpfe und eine Radikalisierung zurück. Auch dass Teile der Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet werden, schrecke ab.