Erinnerung an Flucht und Vertreibung

Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes,
© Fabian Sommer/dpa
Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, spricht zum offiziellem Gedenken der Bundesregierung an die Opfer von Flucht und Vertreibung. 2014 beschloss die Bundesregierung, einen bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung einzuführen.
Erinnerung an Flucht und Vertreibung
Aktuell sind so viele Menschen auf der Flucht wie nie zuvor. Ihr Leid verbindet sie mit den deutschen Heimatvertriebenen, betonten die Redner auf einer Feierstunde zum Gedenktag der Opfer von Flucht und Vertreibung.

Berlin (epd). Ende 2020 waren weltweit mehr als 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Das seien über 80 Millionen Schicksale, bei denen oft Familien zerrissen und Kinder auf sich allein gestellt seien, sagte die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, in einer Feierstunde zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am Sonntag in Berlin. Flucht und Vertreibung seien immer verbunden mit unermesslichem Leid. Dieses zu lindern habe sich der im Mai 1945 gegründete Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes von Anfang an zur Aufgabe gemacht. Damals sei es vor allem um das Schicksal der über zwölf Millionen aus Ost- und Südosteuropa vertriebenen Deutschen gegangen.

Um das Leid heutiger Flüchtlinge nachvollziehen zu können, sei es wichtig, die Erinnerung an die Heimatvertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs wachzuhalten, sagte Hasselfeldt. Das unermessliche Leid von Millionen Toten und Vertriebenen, „das dürfen wir nicht vergessen“. Vor allem die vielen individuellen Erlebnisse machten das Schicksal der Betroffenen nachvollziehbar. „Solange noch Zeitzeugen unter uns sind, sollten wir ihnen aufmerksam zuhören“, sagte sie.

Durch ihren Verzicht auf Rache und Vergeltung hätten die deutschen Heimatvertriebenen zudem „einen großartigen Beitrag zur Versöhnung geleistet“. Das neue Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung, das am Montag in Berlin eröffnet wird, sei als Erinnerungsort deshalb für die gesamte Gesellschaft wichtig.

Zuvor sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in der online übertragenen Feierstunde, das Leid der Heimatvertriebenen habe wesentlichen Anteil an der deutschen und europäischen Geschichte und spiele bis heute eine bedeutende Rolle in der Kultur Deutschlands. Ihre Vertreibung aus Ost- und Südosteuropa habe „unumkehrbare Langzeitwirkung“.

Zugleich betonte der Minister, das Schicksal der Heimatvertriebenen stehe im Kontext der von Deutschland begangenen Verbrechen und des Leids der Opfer des NS-Regimes. Dieses solle mit dem Gedenktag nicht relativiert werden. „Es gibt keine Aufrechnung von Leid“, sagte Seehofer. Der Gedenktag verbinde das Schicksal Heimatvertriebener mit jenem von Vertriebenen in der Gegenwart.

Der katholische Prälat Karl Jüsten unterstrich, aus der schmerzhaften Erfahrungen der Heimatvertriebenen müsse sich ableiten, den Schutz von Flüchtlingen heute zu verbessern und eine einfachere Familienzusammenführung zu ermöglichen. „Der Schutz der Familie ist ein Grundrecht, das auch und gerade für Flüchtlinge gelten muss“, sagte er und betonte: „Lassen sie uns gemeinsam von der Vergangenheit lernen für die Gegenwart.“

Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius, mahnte, das Trauma von Flucht und Vertreibung dürfe sich nicht immer und immer wiederholen. „Jede Vertreibung, jede ethnische Säuberung, wo und egal mit welcher Begründung, ist immer ein Verbrechen“, sagte er und begrüßte ebenfalls die Eröffnung des neuen Dokumentationszentrums. Damit werde das Schicksal der Vertriebenen aus dem Schatten der Erinnerung herausgeholt und in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gestellt.

Seit 2015 erinnert die Bundesregierung am 20. Juni an die Opfer von Flucht und Vertreibung weltweit sowie insbesondere an die deutschen Vertriebenen. Die Vereinten Nationen begehen am 20. Juni seit 2014 den Weltflüchtlingstag.