Butterwegge: Pandemie begünstigt Reiche und hängt Arme weiter ab

Butterwegge: Pandemie begünstigt Reiche und hängt Arme weiter ab

Hannover (epd). Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich aus Sicht des Sozialwissenschaftlers Christoph Butterwegge während der Corona-Pandemie weiter geöffnet. „Die Ungleichheit ist gewachsen. Die ganz Reichen sind noch reicher geworden“, sagte der Kölner Armutsforscher am Donnerstag während einer öffentlichen Diskussion zum Thema „Das Soziale neu denken“. An der Debatte im Rahmen des digitalen Kongresses zum Thema „Der Sozialstaat von Morgen“ beteiligte sich auch die evangelische Regionalbischöfin des Sprengels Hannovers, Petra Bahr. Sie betonte die Bedeutung fairer Bildungschancen im Kampf gegen soziale Ungleichheit.

Butterwegge erklärte, dass das Vermögen von Dieter Schwarz, Inhaber der Discounterketten Lidl und Kaufland, während der Pandemie um eine hohe Milliardensumme angewachsen sei. Dagegen seien viele Gering- und Normalverdiener durch das Kurzarbeitergeld unter die Armutsgefährdungsgrenze gerutscht.

„Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten“, sagte Butterwegge. Die Jobcenter sollten Sanktionen gegenüber Leistungsempfängern auch über die Pandemie hinaus aussetzen, indem sie etwa auf die Vermögensprüfung weiter verzichten und die Angemessenheit der aktuellen Wohnung weiter voraussetzen. Außerdem forderte der Sozialwissenschaftler eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Butterwegge wies darauf hin, dass etwa Beamte, Abgeordnete oder auch Freiberufler derzeit nicht in den Sozialstaat einzahlen. Auch Kapitaleinkünfte, Mieten und Zinsen sollten mit Sozialabgaben belegt werden.

Aus Sicht von Petra Bahr ist Bildung der Schlüssel im Kampf gegen Armut. Als Mitglied des Deutschen Ethikrates widmet sich die Regionalbischöfin schwerpunktmäßig den Themen gesellschaftlicher Zusammenhalt und Teilhabe. „Wir brauchen dringend eine neue schul- und bildungspolitische Debatte“, sagte die Theologin. Durch Lockdown und Homeschooling hätten viele Kinder und Jugendliche den Anschluss verpasst. Die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland sei das Ergebnis eines „schulpolitischen Desasters“ und berge großen gesellschaftlichen Sprengstoff. Bahr forderte ein Bildungssystem, in dem sich alle Kinder angenommen und gewollt fühlen, unabhängig von der Muttersprache oder vom Einkommen der Eltern.