Diakonie und Caritas dringen auf Reformen in der Pflege

Diakonie und Caritas dringen auf Reformen in der Pflege
Die Spitzen von Diakonie und Caritas fürchten ein Scheitern selbst kleiner Schritte zu einer Pflegereform. Die Koalition müsse jetzt liefern, fordern sie. Alles andere wäre ein fatales Signal an Pflegekräfte und Pflegebedürftige.
21.05.2021
epd
Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Die Spitzen von Diakonie und Caritas drängen die Bundesregierung, sich auf Tariflöhne in der Altenpflege zu verständigen. Angesichts der knapp werdenden Zeit bis zur Bundestagswahl „muss die Koalition jetzt liefern“, forderte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am Freitag in Berlin. Wenn es „bei ein bisschen Prämie und ein bisschen Klatschen bleibt“, sagte der Diakonie-Chef mit Blick auf Corona-Prämien und Balkon-Applaus für Pflegekräfte in der Corona-Pandemie, sei das politisch nicht zu verantworten.

Lilie und Caritas-Präsident Peter Neher verlangten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz außerdem eine Begrenzung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen und gesetzliche Vorgaben für die Refinanzierung von ausreichend Personal. Pflegekräfte seien unter Druck, nicht nur weil Stellen unbesetzt blieben, sondern weil das Personal nach den derzeit gültigen Fachkraftquoten zu knapp bemessen sei. Es könne allerdings nur um Übergangslösungen gehen, sagte Caritas-Chef Neher. Nachdem die Koalition ihr Versprechen einer großen Pflegereform nicht eingelöst habe, müsse sie nun wenigstens noch dringend notwendige kleine Schritte tun. Es dürfe kein Nichtstun geben, sagte Neher und forderte die Bundestagsfraktionen von Union und SPD auf, an einer Lösung mitzuarbeiten.

In der Bundesregierung werden nach dem Scheitern eines Flächentarifvertrags derzeit gesetzliche Änderungen abgestimmt, die für bessere Löhne in der Altenpflege sorgen sollen. Danach sollen künftig nur noch solche Pflegeeinrichtungen mit den Pflegekassen abrechnen können, die Tariflöhne zahlen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will erreichen, dass die geplanten gesetzlichen Änderungen kein Schlupfloch für Niedriglöhne offenlassen.

Heil und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verhandeln derzeit über Details und eine Gegenfinanzierung der zusätzlichen Kosten. Spahn hat außerdem einen Vorschlag gemacht, wonach die Eigenanteile der Pflegebedürftigen ab dem zweiten Jahr prozentual verringert werden sollen. Einig ist man sich, dass nicht sie allein die steigenden Kosten tragen sollen. Spahns Vorschlag zur Finanzierung sieht geringfügige Beitragserhöhungen, eine finanzielle Beteiligung der Bundesländer und einen Steuerzuschuss an die Pflegeversicherung vor.

Kommt es zu einem Kabinettsbeschluss, muss der Bundestag die Änderungen noch in einer der beiden letzten Sitzungswochen vor der Bundestagswahl beschließen. Andernfalls scheitern die Vorhaben.

Pikant für die Caritas ist, dass das Verfahren zu einem Flächentarif in der Altenpflege an den katholischen Arbeitgebern gescheitert war. Präsident Neher räumte einen „kommunikativen Gau“ ein, der seinem Verband geschadet habe. Andererseits sei es immer eine Illusion gewesen zu glauben, ein Flächentarifvertrag mit Mindestentlohnungen hätte die Probleme in der Altenpflege gelöst, sagte er. Dafür brauche es weit umfassendere Reformen. Diese müssten in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.

In der Altenpflege arbeiten mehr als eine Million Menschen, überwiegend Frauen. Nur etwa die Hälfte der Pflegekräfte wird nach Tarif bezahlt. Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie gehören zu den großen Pflegeanbietern. Ihre Beschäftigten werden nach eigenen kirchlichen Tarifen entlohnt, die nicht mit den Gewerkschaften, sondern in Arbeitsrechtlichen Kommissionen zwischen Dienstgeber- und Arbeitnehmervertretern ausgehandelt werden. Die Entlohnung ist der im öffentlichen Dienst vergleichbar und höher als bei privaten Pflegeanbietern. Kirchliche Beschäftigte haben aber kein Streikrecht.