Ermittler gehen bei "NSU 2.0"-Drohungen von Alleintäter aus

Ermittler gehen bei "NSU 2.0"-Drohungen von Alleintäter aus
Der mutmaßliche Verfasser der "NSU 2.0"-Drohmails ist gefasst. Die Ermittlungen sind aber noch lange nicht beendet, und auch die Opfer haben noch Fragen.

Wiesbaden (epd). Nach erster Durchsicht der beschlagnahmten Computerdaten hat sich der Verdacht gegen den als mutmaßlichen Verfasser der mit „NSU 2.0“ gezeichneten Drohschreiben festgenommenen Mann erhärtet. Das teilten die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und das Hessische Landeskriminalamt am Mittwoch auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit. Sonderermittler Hanspeter Mener sagte, nach derzeitigen Stand der Erkenntnisse gehe er bei den rechtsextremistischen Drohmails von einem Alleintäter aus. Der leitende Oberstaatsanwalt Albrecht Schreiber betonte aber, die Ermittlungen seien noch längst nicht abgeschlossen, eine Reihe von Fragen müsse noch geklärt werden.

Dabei geht es vor allem darum, wie der 53-jährige erwerbslose Berliner an die gesperrten persönlichen Informationen über einige der bedrohten Frauen des öffentlichen Lebens gekommen ist. Diese Daten über die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler waren vor Versendung der Drohschreiben aus Polizeicomputern In Frankfurt und Wiesbaden abgerufen worden. Es gebe aber keinerlei Hinweise darauf, dass hessische Polizeibeamte mit dem Täter zusammengearbeitet hätten. Sonderermittler Mener hält es nach eigenen Angaben für möglich, dass sie der inzwischen in Untersuchungshaft sitzende Verdächtige unter Vorspiegelung falscher Tatsachen telefonisch auf den Polizeirevieren erhalten hat.

In einem Schriftwechsel mit dem Berliner Landesamt für Ordnungs- und Bürgerangelegenheiten habe der Mann vor Jahren selbst beschrieben, wie man missbräuchlich bei Behörden persönliche Daten erhalten könne und eingeräumt, das er auch schon entsprechend vorgegangen sei. Außerdem sei der Beschuldigte rechtskräftig wegen Amtsanmaßung verurteilt worden, weil er sich 1992 als Kriminalbeamter ausgegeben habe. Polizei und Justiz erklärten aber auf der Pressekonferenz in Frankfurt, es lägen keine Erkenntnisse vor, dass einer der nach der Datenabfrage vernommenen Polizeibeamten etwas von einem derartigen Anruf gesagt habe.

Dem Verdächtigen, der seit Jahren arbeitslos war, kamen die Ermittler auf die Spur, weil er sich in rechten Internetforen in einer Weise geäußert hatte, die auffallend dem Stil der Drohschreiben glich. Polizei und Justiz sprachen von viel kriminalistischer Kleinarbeit bis zu der Festnahme am Montagabend.

Sechs von den Drohschreiben Betroffene forderten derweil die Aufklärung „drängender Fragen“ in dem Fall. „Es gibt keinen Grund für Entwarnung“, heißt es in der Erklärung, die auf Initiative Wisslers zustande kam, die inzwischen auch Bundesvorsitzende der Linken ist. Die Bedrohten äußerten sich „irritiert“ darüber, dass der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) die Polizei von einer Verwicklung in die Schreiben freigesprochen habe, obwohl die Herkunft der vertraulichen Daten noch nicht geklärt sei.