Zuversichtsbrief - Woche 62: Die Kunst, es gut sein zu lassen

Blick in die Zukunft
© Dustin Belt/Unsplash
Wer Perfektion anstrebt, wird den Segen nicht spüren, den Gott auf den siebenten Tag legte. Es ist der Segen der Zufriedenheit. Schauen Sie bei Ihrem Tun hin, ob es irgendwann gut ist, rät Pfarrer Frank Muchlinsky in seiner Zuversichtsmail.
Zuversichtsbrief - Woche 62: Die Kunst, es gut sein zu lassen

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag. So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte. Dies ist die Geschichte von Himmel und Erde, da sie geschaffen wurden. Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte.

1. Mose 1,31−2,4 (Hören Sie hier die ganze Schöpfungsgeschichte, vorgelesen von Helge Heynold)

Liebe Vermisste,

noch einmal, vielleicht vorerst das letzte Mal, ist die Zahl derer, die wir sehen dürfen, eingeschränkt worden. Die Zahl der Vermissten steigt also noch einmal. Wir sind noch nicht am Ziel. Trotzdem lohnt es sich gerade jetzt, auf Ziele zu schauen, die erreicht wurden. Dabei kann man nämlich etwas Erstaunliches entdecken. Fangen wir am Anfang an!

Die Schöpfungsgeschichte der Bibel ist ein grandioser Text. Gott schafft aus Chaos eine bewohnbare Welt. Alles bekommt seinen Platz und seine Bedeutung. Gott spricht und es geschieht. Gott gibt Namen und schafft schier endlose Vielfalt. "Ein jedes nach seiner Art" ist nur einer der Refrains, die diesen so sorgfältig gestalteten Text durchweben. Der Blick der Lesenden wird zunächst immer schärfer gestellt: Aus wabernder Finsternis und Wasser werden plötzlich Licht und feste Formen. Der Himmel kommt in den Blick, Land und Meer, Sonne, Mond und Sterne. Begleitet vom Rhythmus der Tage. Dann kann man dem Gras beim Wachsen zuschauen und den Bäumen beim Blühen und Reifen, ein jegliches nach seiner Art. Auch Gott schaut immer wieder hin auf das, was er gemacht hat und sieht, dass es gut ist. Dann wird das Bild endgültig zum Wimmelbild. Es schwimmt, kreucht, fleucht überall. Bunt, laut, schrill und fruchtbar breitet sich alles aus, der Mensch gesellt sich dazu, ein jegliches nach seiner Art.

"Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag." Die Welt ist fertig und sehr gut. Ist sie perfekt? Davon ist nicht die Rede, auch nicht von Seuchen, Dürre oder Flut. Die Schöpfung ist gut und das genügt Gott. Anstatt sich am siebten Tag noch einmal alles genau zu betrachten und eventuelle Besserungen vorzunehmen, schließt Gott die Schöpfung mit einem Tag ab, an dem er einfach nichts tut, außer zu ruhen. Gott segnet diesen Tag der Ruhe, an dem er sagt: "Es ist gut, es reicht!" Bis heute bekommt Gott dafür Vorwürfe von uns Menschen zu hören: Wie kann Gott es zulassen, dass Krankheiten, Erdbeben und Wassermangel Menschenleben kosten? Warum hat Gott nicht am siebten Tag weitergemacht und die Fehler im System behoben?

Nun, weil es gut war. Mag sein, dass die Welt für den Menschen hätte noch besser sein können, aber ausgerechnet der Mensch stellt sich schon bald als der größte Fehler im System heraus. Die Schöpfung ist fertig. Sie reicht dem Schöpfer, wie sie ist. Gott gibt mit dem siebten Tag nicht nur ein Beispiel dafür, dass man nach getaner Arbeit ruhen sollte. Er macht auch vor, wie man mit dem zufrieden ist, was man getan hat und sagt: Fertig! Ich kenne viele Menschen, die damit große Mühe haben, etwas als fertig anzusehen, es gut sein zu lassen. Es bedeutet, sich zu verabschieden von dem Prozess des Schaffens. Das allein ist schwierig. Zusätzlich heißt es auch, von nun an Verantwortung für das zu übernehmen, was man geschaffen hat.

Wer einen Liebesbrief so lange bearbeitet und verbessert, bis er klingt wie ein Sonett von Shakespeare, läuft aber Gefahr, dass das geliebte Gegenüber sich mittlerweile für jemand anderes entscheidet. Wer Perfektion anstrebt, wird den Segen nicht spüren, den Gott auf den siebenten Tag legte. Es ist der Segen der Zufriedenheit. Darum lautet meine Wochenaufgabe für Sie auch folgendermaßen: Schauen Sie bei Ihrem Tun hin, ob es irgendwann gut ist. Fehlt zum Beispiel noch die Sahnehaube auf dem sehr guten Rhabarberkuchen, aber Sie haben keine Sahne im Haus, gehen Sie einmal nicht "noch schnell einkaufen", sondern betrachten Sie Ihren Kuchen. Schnuppern Sie! Freuen Sie sich an ihrem Werk! Nehmen Sie sich dafür mindestens so viel Zeit, wie Sie zum Einkaufen gebraucht hätten. Nehmen Sie wahr, was Sie Gutes schaffen und nicken Sie einmal deutlich dazu. Und wenn Ihre Arbeit sehr gut ist, beenden Sie sie.

In diesem Moment fällt mir auf, dass gerade Abiturarbeiten geschrieben werden, und ich gebe gerade den Ratschlag, nicht noch einmal genau über das Geschriebene zu schauen und eventuelle Fehler auszumerzen. Ach, wer gerade Abi macht, wird schlau genug sein zu sehen, dass ich geschrieben habe, man solle aufhören, wenn es sehr gut ist.

So, nun ist es gut. Bis bald!

Ihr Frank Muchlinsky