Merkel verteidigt im Bundestag "Corona-Notbremse"

Merkel verteidigt im Bundestag "Corona-Notbremse"
Als Konsequenz aus dem unterschiedlichen Vorgehen der Länder bei der Pandemie-Bekämpfung soll es künftig eine bundesweit einheitliche "Corona-Notbremse" geben. Bei der Debatte im Bundestag zeigte sich: Besonders die Ausgangssperre ist umstritten.

Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Bundestag die bundesweite "Corona-Notbremse" verteidigt. Merkel warb bei der ersten Beratung der Änderungen am Infektionsschutzgesetz am Freitag in Berlin eindringlich auch für die umstrittenen nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Die Pandemie habe das Land fest im Griff, sagte sie. Die Lage sei "sehr ernst".

In der lebhaften Debatte zeichnete sich ab, dass die SPD die Ausgangssperren abmildern will. Die FDP machte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ausgangssperren geltend. Die AfD lehnte das Gesetz als Angriff auf die Grundrechte ab.

Merkel ging ausführlich auf die umstrittenen Ausgangsbeschränkungen ein, die künftig bei einem Inzidenzwert von 100 automatisch greifen sollen. Sie nehme die Einwände dagegen sehr ernst, betonte sie. Es handele sich um einen nicht zu leugnenden Eingriff in die persönliche Freiheit. Aber die dritte Welle der Pandemie sei nur zu brechen, wenn die Kontakte deutlich reduziert würden. Zwar sei es richtig, dass im Freien die Ansteckungsgefahr geringer sei. Doch bei den Ausgangsbeschränkungen gehe es nicht um die Ansteckung im Freien, sondern darum, die Mobilität zu reduzieren.

Merkel betonte, Bund, Länder und Kommunen müssten ihre Kräfte bündeln, um die dritte Welle der Pandemie endlich zu brechen. Das Virus verstehe nur eine Sprache: die der Entschlossenheit. Die bundesweite "Notbremse" sei "dringend", sie sei "überfällig", betonte die Kanzlerin. Die Intensivmediziner sendeten einen Notruf nach dem anderen: "Wer sind wir denn, wenn wir diese Notrufe überhören würden?", fragte Merkel.

Die große Koalition will das Infektionsschutzgesetz ändern, um dem Bund die Befugnis zu geben, ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 - also 100 Ansteckungen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche - Kontaktbeschränkungen und Schließungen anzuordnen. Derzeit fällt dies allein in die Kompetenz der Länder. Umstritten sind die Pläne, Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr zu verhängen. Auch dass Schulen erst ab einer Inzidenz von 200 den Präsenzbetrieb einstellen sollen, sorgt für Diskussionen.

Bei der AfD stößt das Gesetz auf schärfste Ablehnung. Fraktionschefin Alice Weidel sagte, es sei ein Angriff auf Grund- und Freiheitsrechte. Insbesondere kritisierte sie die geplanten nächtlichen Ausgangssperren. Dies sei unverhältnismäßig und verfassungswidrig, sagte Weidel. Auch die FDP kritisierte die Ausgangssperren als "hoch problematisch". Fraktionschef Christian Lindner deutete an, dass seine Fraktion, sollten sie beschlossen werden, Verfassungsbeschwerde dagegen einlegen würde. Gleichzeitig betonte Lindner im Gegensatz zur AfD, die Infektionslage sei ernst.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, bezeichnete Ausgangssperren als ein grundsätzlich geeignetes Mittel, um die Infektionszahlen zu senken. Es müsse aber Ausnahmen für einen Spaziergang oder das Joggen geben, wie es etwa in Hamburg geregelt sei. Dafür wolle sich seine Fraktion bei den Beratungen einsetzen.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, warf der Koalition vor, die Einschränkungen im Privatleben, für Schulen und Kitas seien unverhältnismäßig im Vergleich zu den "wachsweichen" Vorschriften für die Wirtschaft. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezweifelte die Wirksamkeit der "Notbremse". Sie müsse bereits bei Inzidenzwerten von 50 oder sogar 35 greifen, sagte sie.

Das Kabinett hatte die Änderungen am Mittwoch beschlossen. Mitte kommender Woche sollen sie vom Bundestag verabschiedet und vom Bundesrat gebilligt werden. Mit dem Gesetz reagierte die Bundesregierung darauf, dass die Bundesländer eine Anfang März von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene "Notbremse" nicht einheitlich und konsequent umgesetzt haben.

Nun wollen einzelne Länder wie Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern die verschärften Regeln schneller umsetzen. Die Schweriner Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) kündigte im ARD-"Morgenmagazin" für ihr Bundesland ab kommendem Montag Ausgangsbeschränkungen und Schul- sowie Kita-Schließungen an.

epd bm/co kfr