Häftlingen steht "vertrauliche Kommunikation" zu

Häftlingen steht "vertrauliche Kommunikation" zu

Karlsruhe (epd). Häftlinge müssen grundsätzlich offen mit engen Vertrauenspersonen brieflich kommunizieren können. Selbst wenn herabwürdigende Äußerungen getätigt werden, darf die Justizvollzugsanstalt (JVA) den Brief eines Gefangenen nicht ohne Weiteres zurückhalten, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. (AZ: 2 BvR 194/20) Die Karlsruher Richter sahen damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Meinungsfreiheit eines früheren Gefangenen verletzt.

Der Mann hatte während seiner Haft einen Brief an seine Großnichte und ehemalige Verlobte geschrieben, die als Mittäterin in einer anderen Justizvollzugsanstalt ihre Strafe verbüßte. In dem Brief schrieb er über einen Vorgesetzten der Kfz-Werkstatt der JVA: "... ich kenne das echte 'Arschloch' noch nicht, über das echt jeder lästert, weil es echt ein Prolet sein soll!" Den Freistaat Bayern bezeichnete er zudem als "scheiß Nazi- und Bullenstaat Bayern". Die JVA hielt nach einer Briefkontrolle das Schreiben zurück.

Das Landgericht Augsburg billigte dies. Es sei "offensichtlich", dass das Schreiben sowohl Beleidigungen von Bediensteten und Formulierungen enthalte, die die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdeten. Dem folgte auch das Bayerische Oberste Landgericht

Doch damit sei der Mann in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit verletzt worden, entschied das Bundesverfassungsgericht. Häftlinge hätten gegenüber Familienangehörigen und anderen engen Vertrauenspersonen grundsätzlich Anspruch auf eine vertrauliche Kommunikation. In dieser "Sphäre vertraulicher Kommunikation" müsse "die freimütige Kundgabe des eigenen Urteils über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung möglich" sein. Dabei könne es auch zu Äußerungen kommen, "die sich der Einzelne gegenüber Außenstehenden oder in der Öffentlichkeit nicht gestatten würde".

Diesen Schutz der vertraulichen Kommunikation hätten die Vorinstanzen nicht beachtet. So sei keine Abwägung zwischen dem Recht auf Vertraulichkeit und der Sicherheit in der JVA vorgenommen worden. Der Brief sei pauschal zurückgehalten worden. Auch der Einwand, dass hier eine unzulässige Schmähkritik vorgelegen habe und der Häftling sich deshalb nicht auf die Meinungsfreiheit berufen könne, sei falsch.

Denn eine Schmähkritik falle nicht von vornherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit heraus. Maßgeblich sei der Gesamtzusammenhang, der aber nicht geprüft wurde. Hier sei etwa die beanstandete Äußerung "Arschloch" im Brief nur in Anführungszeichen gesetzt worden. Es sei gar nicht klar, ob der Beschwerdeführer diese nur zitiert oder sich zu eigen gemacht hat.