Der schwierige Weg zum Gutachten

Der schwierige Weg zum Gutachten

Köln (epd). Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki wird am kommenden Donnerstag ein lange erwartetes juristisches Gutachten entgegennehmen und veröffentlichen. Die Untersuchung zum Umgang Bistumsverantwortlicher mit sexualisierter Gewalt durch Kirchenpersonal aus den Jahren 1975 bis 2018 hatte Woelki im vergangenen Jahr bei der Kölner Kanzlei Gercke und Wollschläger in Auftrag gegeben. Unter anderem wegen der Nichtveröffentlichung eines bereits Ende 2018 in Auftrag gegebenen Gutachtens der Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl steht Woelki seit Monaten in der Kritik.

Die Veröffentlichung des jüngsten Gutachtens des Strafrechtlers Björn Gercke wird zeigen, ob hochrangigen Funktionsträgern oder ehemaligen Bistumsleitenden Verstöße gegen kirchliches Recht oder gegen andere Pflichten nachgewiesen werden können. In diesem Fall hat Woelki personelle Konsequenzen angekündigt.

* 22. September 2018: Erzbischof Woelki kündigt eine eigene Untersuchung zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Missbrauchsfällen durch kirchliches Personal im Erzbistum Köln an. Woelkis Ankündigung, mit einer derartigen Untersuchung auch Namen nennen und für Transparenz sorgen zu wollen, findet wenige Tage vor der bundesweiten Vorstellung der MHG-Studie zu sexuellem Missbrauch bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz statt.

* Dezember 2018: Das Erzbistum Köln beauftragt die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW). Die juristische Untersuchung der Kanzlei, die auch im Auftrag weiterer Bistümer zu dem Thema arbeitet, soll analysieren, inwieweit die Behandlung von Missbrauchsfällen und Vorwürfen gegenüber Klerikern oder sonstigen pastoralen Mitarbeitern entsprechend kirchenrechtlicher oder staatlicher Vorgaben erfolgte - oder ob Defizite oder sogar Rechtsverstöße vorlagen.

* 12. März 2020: Eine für diesen Tag angekündigte Pressekonferenz zur Vorstellung des Münchener Gutachtens wird zwei Tage vorher vom Erzbistum abgesagt. Es begründet seine Absage damit, dass die WSW-Untersuchung zwar abgeschlossen sei, aber von der Kölner Kanzlei Redeker Sellner Dahs wegen äußerungsrechtlicher Bedenken geprüft werde. Neben der Kanzlei Redeker holt sich das Erzbistum, das selbst noch keinen Einblick in das Gutachten erhalten hat, auch Rat bei der Kanzlei Höcker Rechtsanwälte ein. Auch die Juraprofessoren Matthias Jahn aus Frankfurt und Franz Streng aus Nürnberg werden vom Erzbistum beauftragt, das Gutachten der Münchener Kanzlei auf seine Qualität hin zu überprüfen.

* 29./30. Oktober: Erzbischof Rainer Maria Woelki und Generalvikar Markus Hofmann beraten mit dem Betroffenenbeirat über den Fortgang der Untersuchung. Im Anschluss verkündet das Erzbistum, das Münchener Gutachten grundsätzlich nicht zu veröffentlichen. Die rechtlichen Anforderungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung seien nicht gegeben, die Namensnennungen in dem Gutachten seien nicht rechtssicher, begründet das Erzbistum den Schritt und spricht von einer einvernehmlichen Entscheidung mit dem Betroffenenbeirat. Die Zusammenarbeit mit der Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl wird beendet.

Das Erzbistum verweist zudem auf Beanstandungen durch die Juraprofessoren Jahn und Streng an Teilbereichen des Gutachtens. Mit einem neuen Gutachten wird die Kölner Kanzlei Gercke und Wollschläger beauftragt. Die Veröffentlichung dieses Gutachtens ist für den 18. März 2021 geplant.

* November 2020: Einzelne Mitglieder des Betroffenenbeirats ziehen sich zurück. Statt ursprünglich aus neun besteht der Beirat zeitweise nur noch aus fünf Mitgliedern. Neben Kontroversen innerhalb des Beirats geht es auch um Vorwürfe intransparenter Kommunikation, die sich an die Bistumsleitung richten.

* 5. Januar 2021: Das Erzbistum will ausgewählten Medienvertretern Einblicke in das Gutachten von Westpfahl Spilker Wastl gewähren. Die Journalisten sind jedoch nicht bereit, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Der Termin wird abgebrochen.

* Januar 2021: Zu Jahresbeginn wird die Kritik an Erzbischof Woelki, seinem Umgang mit dem WSW-Gutachten und seinem Umgang mit Kritikern aus eigenen Reihen lauter. Pfarrer, Laien und katholische Kirchengemeinden des Erzbistums äußern sich kritisch zu Woelki und dem gesamten Verfahren. Zudem muss sich das Erzbistum mit Vorwürfen der Vertuschung auseinandersetzen. Medien hatten über Missbrauchsfälle von teilweise bereits strafrechtlich verurteilten Priester berichtet, die von Bistumsverantwortlichen mutmaßlich kirchenrechtlich nicht vorgabengemäß geahndet wurden.