Sozialpsychologe: Schnelltests könnten Hoffnungen wecken

Sozialpsychologe: Schnelltests könnten Hoffnungen wecken
18.02.2021
epd
epd-Gespräch: Karen Miether

Lüneburg (epd). Der Lüneburger Sozialpsychologe Roman Trötschel warnt mit Blick auf die angekündigten Corona-Schnelltests für alle vor überzogenen Hoffungen. Viele Menschen warteten nach Monaten des erneuten Lockdowns auf neue Lösungen zum Umgang mit dem Dilemma zwischen ihrem Wunsch nach Freiheit und ihrem Wunsch nach Sicherheit für ihre Gesundheit, sagte der Professor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Schnelltests würden als ein potenzieller Ausweg dargestellt. Somit würden selbstverständlich Hoffnungen geweckt.

"Wichtig ist jedoch, dass die Erwartungen und Hoffnungen zumindest nicht auf der Ebene des politischen Handelns enttäuscht werden", betonte Trötschel. "Sollten die Tests nicht in ausreichend großer Zahl verfügbar sein oder sollte die Zulassung aus Sicht der Medien oder der Bevölkerung zu lange dauern, ist Unzufriedenheit mit der Politik bis hin zur Politikverdrossenheit programmiert." Dies sei den Politikern aber offensichtlich bewusst, wie Äußerungen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigten.

Die Schnelltests zur Selbstanwendung würden von vielen als möglicher Ausweg aus den Einschränkungen und nicht als deren Ergänzung erlebt, erläuterte Trötschel. Wie viel Freiheit sie jedoch tatsächlich ermöglichten, bleibe abzuwarten. "Zunächst ist ja damit zu rechnen, dass mehr Infektionen entdeckt werden, die vorher unerkannt geblieben sind." Das sei zwar positiv, könnte aber auch zunächst zu einem Anstieg der Infektionszahlen führen. Dies könnte wiederum Auswirkungen auf politische Entscheidungen haben.

Ob sich Menschen durch die Tests in trügerischer Sicherheit wiegen und sie ihr Risikoverhalten ändern werden, bleibe ebenfalls abzuwarten. "Wenn ich und mein Gegenüber einen negativen Selbsttest durchgeführt haben, bedeutet dies nicht, dass wir uns nicht mehr an die AHA-Regeln halten sollten", sagte Trötschel. Bedeutsam bleibe es deshalb, dass Wissenschaft und Politik klar die Rolle und die Wirksamkeit von Schnelltests kommunizierten und auch vor den Einschränkungen warnten.

Ob Schnelltests gar zu einer Art "Eintrittskarte" etwa ins Museum werden könnten, müssten die Politik oder der Ethikrat entscheiden. "Aus Sicht der Psychologie ist jedoch die Wirkung von Botschaften bedeutsam: Wenn ein Schnelltest als Eintrittskarte verstanden wird, gibt dies abermals ein Gefühl der scheinbaren Sicherheit." Dann könnten Menschen meinen, da an einem Ort alle negativ getestet seien, könne ihnen dort nichts passieren, erläuterte der Wissenschaftler. Da die Tests nur eine Momentaufnahme abgäben, die zusätzlich mit einer gewissen Unsicherheit versehen sei, wäre das allerdings trügerisch.