Kritik an Wohnungsbaubilanz der Regierung

Kritik an Wohnungsbaubilanz der Regierung
Die Forderung nach dem Bau von mehr Sozialwohnungen begleitet die Bundesregierung schon lange. Jetzt sehen Verbände eine dramatische Zuspitzung der Wohnungsnot. Ein Vorschlag lautet, leerstehende Büroflächen zu Wohnungen umzubauen.

Berlin (epd). Ein Verbändebündnis für sozialen und bezahlbaren Wohnraum hat vor einer zunehmenden Wohnungsnot in Folge der Corona-Pandemie gewarnt. Die Not der Menschen auf dem Wohnungsmarkt werde sich mit anhaltender Pandemie in den kommenden Monaten weiter verschärfen, erklärten Vertreter des Bündnisses "Soziales Wohnen" am Freitag in einer Online-Pressekonferenz.

Bund und Länder hätten beim Bau bezahlbarer Wohnungen und von Sozialmietwohnungen in den vergangenen Jahren versagt. Dadurch sei im unteren Preissegment ein gewaltiges Wohnungsdefizit entstanden, heißt es unter Verweis auf zwei neue Wohnungsbaustudien. Die eine stammt vom Pestel-Institut (Hannover), die andere vom Bauforschungsinstitut Arge für zeitgemäßes Bauen in Kiel.

Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) erklärte dazu: "Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit und wir sorgen dafür, dass Wohnen bezahlbar bleibt." Innerhalb der Legislaturperiode würden 1,5 Millionen neue Wohnungen im Bau oder fertig gestellt sein. Außerdem stünden Fördermittel für 100.000 neue Sozialwohnungen bereit. Damit habe die Regierung umgesetzt, was Bund, Länder und Kommunen für die Wohnraumoffensive vereinbart haben.

Der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther, warf der Bundesregierung vor, ihr selbst gestecktes Ziel von 1,5 Millionen bezugsfertigen Neubauwohnungen bis zum Herbst 2021 um rund 300.000 zu verfehlen: "Das ist mehr als die Bauleistung eines kompletten Jahres."

Es fehlten zudem 670.000 Wohneinheiten mit bezahlbarer Miete, so Günther. In einem "Akutplan" fordern die Verbände bis 2030 mindestens zwei Millionen zusätzliche Sozialwohnungen, zum einen durch Neubau von 80.000 Sozialwohnungen pro Jahr, zum anderen durch Modernisierungsförderungen und den Ankauf von Belegrechten. Für den Neubau sollten Bund und Länder mindestens 4,8 Milliarden Euro Fördermittel bereitstellen, weitere 1,5 Milliarden Euro für Modernisierungen und Belegungsrechte. Zudem müsse künftig jede zehnte Sozialwohnung barrierefrei gestaltet werden.

Zum Bündnis "Soziales Wohnen" gehören neben dem Deutschen Mieterbund, der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt auch zwei Akteure der Bauwirtschaft, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und der Deutsche Baustoff-Fachhandel.

Gerade ältere Menschen, Behinderte, Arbeitslose und Alleinerziehende hätten kaum noch Chancen, auf dem Wohnungsmarkt Fuß zu fassen, sagte Lukas Siebenkotten, Präsident des Mieterbundes. Dabei verwies er auf die individuelle Wohnkostenbelastung, die laut Bundesregierung bei fast 30 Prozent im Durchschnitt liege, bei einkommensarmen Haushalten sogar bei fast 50 Prozent.

Die Pandemie bietet nach Überzeugung der Verbände aber auch die Chance, Büroflächen in Wohnraum umzuwandeln. Mit der wachsenden Akzeptanz vom Homeoffice gebe es bis 2025 ein Potenzial von 235.000 "Ex-Büro-Wohnungen". Für diese müsse es allerdings eine strikte Sozialquote geben. Demnach kostet aktuell der Büroumbau zur Wohnung im Schnitt 1.108 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Bei der Vollmodernisierung eines Altbaus fallen den Angaben zufolge durchschnittlich Kosten von 2.214 Euro pro Quadratmeter an, beim Neubau 2.978 Euro.