Abgeordnete wollen Suizidhilfe durch Ärzte nach Beratung erlauben

Abgeordnete wollen Suizidhilfe durch Ärzte nach Beratung erlauben
Abgeordnete von FDP, SPD und Linke haben einen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz vorgelegt. Sie wollen zweierlei: Hilfe bei der Selbsttötung ermöglichen und verhindern, dass sich Menschen das Leben nehmen, die das nicht frei selbst entschieden haben.

Berlin (epd). In der Debatte um Regeln und Voraussetzungen für Hilfe bei der Selbsttötung hat eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten mehrerer Fraktionen einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Die Parlamentarier Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke) präsentierten am Freitag in Berlin einen Entwurf, der es Ärzten erlauben soll, Sterbewilligen tödlich wirkende Medikamente zu verschreiben. Zugleich soll über eine Pflichtberatung sichergestellt werden, dass der Sterbewunsch aus freiem Willen erfolgt. "Wir stellen klar, dass jeder ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben hat", sagte Helling-Plahr. Von der Stiftung Patientenschutz kam Kritik. Das Bundesgesundheitsministerium reagierte zurückhaltend, die Sterbehilfeorganisation von Roger Kusch ablehnend.

Mit dem Gesetzentwurf reagieren die Abgeordneten auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr. Die Karlsruher Richter kippten das 2015 verabschiedete Verbot der organisierten - sogenannten geschäftsmäßigen - Suizidassistenz, weil nach ihrer Ansicht das Recht auf selbstbestimmtes Sterben das Recht einschließt, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Damit scheiterte der Versuch der Politik, die Arbeit von Sterbehilfeorganisationen zu unterbinden.

Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach, der 2015 für die Erlaubnis ärztlicher Suizidassistenz anstelle privater Organisationen eingetreten war, dringt nun auf eine Neuregelung. Derzeit gebe es eine "Kombination der Nachteile" - entweder gar kein Angebot für Sterbewillige oder Angebote, die die freie Willensentscheidung nicht sicherstellten, sagte Lauterbach und verwies auf private Sterbehilfeorganisationen.

Der Entwurf der Gruppe sieht ein staatlich finanziertes Beratungssystem vor. Für Menschen, die vom Arzt todbringende Medikamente erhalten wollen, wäre eine Beratung Pflicht, die höchstens acht Wochen, aber mindestens zehn Tage zurückliegen darf, um "Dauerhaftigkeit und innere Festigkeit" des Sterbewunsches zu beweisen. Die Beratung soll sicherstellen, dass ein "autonom gebildeter, freier Wille" vorliegt, der unbeeinflusst ist von einer akuten psychischen Störung oder Einflussnahme Dritter. Bei Minderjährigen soll laut Entwurf davon ausgegangen werden, dass sie die Bedeutung und Tragweite oder Entscheidung für den Suizid nicht zu erfassen vermögen.

Um Ärzten die Abgabe der Mittel zu ermöglichen, soll das Betäubungsmittelgesetz geändert werden. Ärzte könnten die Mittel dann auch verschreiben, wenn sie dafür bestimmt sind, dass sich der Patient damit das Leben nimmt. Dass Ärzten per Standesrecht die Hilfe bei der Selbsttötung untersagt ist, sieht die Gruppe nicht als Hindernis. Die Berufsordnung könne keine Untergesetzgebung sein, die Zugang zu Grundrechten verwehre, sagte Sitte. Zugleich betonte die Gruppe, dass kein Arzt zur Suizidassistenz verpflichtet werden dürfe.

Lauterbach hofft nach eigenen Worten, dass durch die Regelung Sterbehilfeorganisationen überflüssig gemacht werden. Der Verein Sterbehilfe des früheren Hamburger Senators Kusch kritisierte den Vorschlag als unverhältnismäßig. "Durch den staatlichen Beratungszwang werden Sterbewillige einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, der mit ihrem Grundrecht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung unvereinbar ist", erklärte die Organisation am Freitag.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz, die gegen organisierte Suizidassistenz ist, ist allerdings unzufrieden. Selbst staatlich legitimierte Beratungsstellen könnten nicht feststellen, ob ein freier Wille autonom gebildet wurde, erklärte Vorstand Eugen Brysch: "Dafür taugen weder Checklisten noch Fristen oder unbestimmte Rechtsbegriffe." Er forderte, Suizidassistenz gegen Bezahlung unter Strafe zu stellen. Nach Ansicht der Abgeordnetengruppe ist dies durch das Verfassungsgerichtsurteil aber nicht mehr möglich.

Das Bundesgesundheitsministerium hält sich bislang aus der Debatte heraus. Es hatte nach dem Verfassungsgerichtsurteil im vergangenen Jahr Stellungnahmen von Verbänden angefordert. Diese würden noch ausgewertet, sagte ein Sprecher von Minister Jens Spahn (CDU) am Freitag, ergänzte aber auch: "Dass das Parlament eine Entscheidung, die vom Verfassungsgericht gekippt wurde, wieder aufnimmt, ist nur folgerichtig."