Angst vor Verschwinden der Friedhöfe

Urnenfriedhof in Köln
©epd-bild / Christopher Clem Franken
Pflegefreie Urnenreihengräberauf dem Melatenfriedhof in Köln. Mittlerweile sind nur noch 30 Prozent der Begräbnisse Erdbestattungen und 70 Prozent Urnenbeisetzungen.
Angst vor Verschwinden der Friedhöfe
Warum Urnengräber traditionsreiche Parkanlagen gefährden
Die meisten Parkfriedhöfe bestehen bis heute überwiegend aus Erdgräbern. Doch das ändert sich mit dem Trend zur Urne. Experten denken daher über neue Nutzungsmöglichkeiten nach - etwa mit Cafés oder Kinderbereichen.

Das veränderte Bestattungsverhalten und der gesellschaftliche Wandel stellen Parkfriedhöfe vor neue Herausforderungen. Mehr Menschen wünschen sich Urnen- statt Erdbestattungen, Friedwälder oder Seebestattungen. Für Friedhofsgärten bedeutet dies finanzielle Einbußen. Angela Rinn, Heidelberger Privatdozentin für evangelische Theologie, regt gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) an, dass "man sich überlegt, wie die Nutzung von Parkfriedhöfen ausgeweitet werden kann".

Schon als Kind sei sie mit ihrer Großmutter über den Friedhof gegangen und habe dabei viel über die Menschen erfahren, die dort begraben waren. Insofern sei ein Friedhof mehr als nur ein Ort, an dem Beisetzungen stattfinden. Vor allem Parkfriedhöfe seien Erinnerungsorte einer Stadt und ihrer Geschichte, sagt die Theologin.

Nach Vorbild englischer Parks

Parkfriedhöfe sind nach dem Vorbild englischer Parks von Gärtnern und Friedhofsplanern angelegte Friedhöfe. Geschwungene Wege, Grünflächen, rund 3.000 hundertjährige Bäume laden etwa auf dem Bergfriedhof in Heidelberg und dem Karlsruher Hauptfriedhof zum Verweilen ein. "Friedhöfe sind hochwertige Grünflächen", betont der Leiter des Forst- und Bestattungsamtes Karlsruhe, Matthäus Vogel.

Althamburgischer Gedächtnisfriedhof auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg, Europas größtem Parkfriedhof.

Die ersten Parkfriedhöfe entstanden im 19. Jahrhundert. Der größte Parkfriedhof ist mit 389 Hektar der Hamburger Friedhof Ohlsdorf, der vielleicht bekannteste ist der Friedhof Père Lachaise in Paris, auf dem namhafte Persönlichkeiten wie der Dichter Molière, die Rockikone Jim Morrison oder der Komponist Frédéric Chopin bestattet sind.

Der Altbestand der Parkfriedhöfe sind bis heute überwiegend Erdgräber. Doch das könnte sich ändern. Als er 1987 seinen Dienst bei der Stadt Heidelberg angefangen habe, sagt der Betriebsleiter im Landschafts- und Forstamt der Stadt Heidelberg, Wolfgang Becker, seien 70 Prozent der Begräbnisse Erdbestattungen und nur 30 Prozent Urnenbeisetzungen gewesen. "Heute hat sich das Verhältnis umgekehrt", so Becker.

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Ein Grund dafür könnte der Preis sein. Ein Urnengrab kostet in vielen Kommunen deutlich weniger als ein Erdgrab. Doch "gerade die alten Erdgräber prägen den Charakter des Friedhofs", gibt Matthäus Vogel zu bedenken. Sie zu pflegen sei eine Aufgabe auch nach Ablauf der Liegezeit. Vogel fordert deshalb, dass der Preis für ein Grab nicht an der Fläche bemessen wird.

Und der Friedhofsleiter geht sogar noch einen Schritt weiter. Er würde sich wünschen, dass Friedhöfe von der Kommunalpolitik mehr als kulturelles Gemeingut denn als Privatsache betrachtet würden. "Ich meine, ein Friedhof sollte einen Status bekommen wie eine Straße, eine Schule oder eine kulturelle Einrichtung", findet Matthäus Vogel.

Grabpflege wird für Jüngere zur Last

Anders als etwa ein Theater werde der Friedhof in Karlsruhe beispielsweise nur zu 20 bis 30 Prozent subventioniert, das Theater mit 70 Prozent. Jeder Friedhof müsse somit den Großteil seiner Gelder privat erwirtschaften. Dass die Gebühren dafür nicht ausreichen, weiß auch Wolfgang Becker. Der jährliche Zuschuss für das "Juwel" Bergfriedhof betrage eine höhere sechsstellige Summe.

Doch nicht nur der Preis drängt die Menschen zu vermehrten Urnenbestattungen. Vielen aus der jungen Generation sei auch die Grabpflege eine Last, andere suchten nach neuen Bestattungsformen wie Wiesen- oder Waldbestattungen, Gebirgswasser- oder Luftfreisetzungsbeisetzungen. Nicht alles, was möglich ist, ist hierzulande erlaubt. Manch einer weiche für sein Wunschbegräbnis schon mal ins benachbarte Elsass aus, so die Friedhofsleiter.

Spielplatz zwischen Gräbern

Um Parkfriedhöfe auch in Zukunft als lebendige Orte der Trauer und der Begegnung zu wahren, schweben der Seelsorgerin Angela Rinn verschiedene Nutzungsmöglichkeiten vor. "Ich kann mir Cafés, einen Bereich für Kinder und, ja, auch einen Demenzgarten vorstellen", sagt sie. Die Menschen dächten oft nur individualistisch, wie sie selbst beerdigt werden wollten. Es gebe aber Dinge, die alle angingen, so Rinn: "Ich meine, wenn der Friedhof verschwindet, wäre das ein großer Verlust."

Mit einem Lebensgarten und dem ersten Kinderspielplatz zwischen den Gräbern, muslimischen und orientalischen Themenfeldern und Konzerten haben der Hauptfriedhof Karlsruhe und der Bergfriedhof Heidelberg den Weg für eine Zukunft der Parkfriedhöfe bereits beschritten.