Steinmeier mahnt mehr demokratische Debatte in Krisen an

Steinmeier mahnt mehr demokratische Debatte in Krisen an
Wie kommt die Demokratie mit Krisen von außen klar? Nicht erst seit der Corona-Pandemie wird diskutiert, ob und wie sich die Staatsform auf Problemlösungen auswirkt. Am Dienstag diskutierte Bundespräsident Steinmeier die Frage mit Experten.

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mehr demokratische Debatten über die bestmögliche Bewältigung von Krisen gefordert. In der Corona-Krise sehe man, dass die deutsche Demokratie in der Lage sei, schnell und entschlossen zu handeln, sagte er am Dienstag in Berlin. Es sei aber auch zu sehen, dass es ein großes Bedürfnis nach öffentlicher Debatte und den Wunsch nach einer stärkeren Beteiligung der Parlamente gebe, ergänzte er. Man müsse beides schaffen, sagte er und verwies dabei auf eine andere Herausforderung - den Klimawandel.

"Der Handlungsdruck in der Klimakrise macht demokratische Verständigung und Beteiligung nach meiner Überzeugung nicht unwichtiger, sondern wichtiger", sagte Steinmeier. Er verwies dabei auf Zukunftsängste und Abwehrreaktionen gegen Veränderungen auf der einen, die Ungeduld der Klimabewegung auf der anderen Seite. Er wolle der Klimabewegung das demokratische Potenzial nicht absprechen, sagte der Bundespräsident. Mit ihr sei die Antwort aber noch nicht gegeben, wie soziale und kulturelle Belange in die demokratische Entscheidungsfindung einfließen.

Steinmeier hatte in seiner Reihe "Forum Bellevue" Experten eingeladen, um über Transformationsprozesse in einer Demokratie zu diskutieren. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel warnte in der Diskussion davor, sich in der Corona-Krise und in der Klimadiskussion zu sehr an einem von Wissenschaftlern definierten Ziel auszurichten. Es sei ein Fehler, "Demokratie primär vom Output her zu denken", sagte er. Entscheidungen strahlten immer auf andere Felder aus und verursachten Kosten. Das müsse bedacht werden.

Die Ökonomin und Nachhaltigkeitsforscherin Maja Göpel hielt dem entgegen, dass die Wissenschaft das Recht habe, auf einen "Dringlichkeitsmoment" hinzuweisen. Auch sie plädierte für eine stärkere Beteiligung von Betroffenen in demokratischen Diskussionen. Am Beispiel des Klimawandels betonte sie dabei aber, dass das auch diejenigen umfassen müsse, die am stärksten von den Konsequenzen der Erderwärmung betroffen sind.

Der Staatsrechtler Udo di Fabio sagte, es sei das gute Recht der Teilnehmer an Klimaprotesten, eine Generation und die Regierung anzuklagen, dass sie nicht längst gehandelt habe. Deswegen müsse die Kritik aber nicht richtig sein. Es gehe aber auch um eine "Nachhaltigkeit der Gesellschaft". Es müssten Lösungen gefunden werden, die von der Mehrheit getragen werden, sagte der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht.

Die Autorin Thea Dorn warnte davor, den Bürgern nur fertige Lösungen zu servieren, anstatt sie mitgestalten zu lassen. Sie erwarte, dass die Politik auch ihr vertraue, sagte sie. Mit Verweis auf die Corona-Pandemie beklagte sie ein "volkspädagogisches" Vorgehen: "Man darf das Volk nicht als jähzornigen Bengel behandeln, dem man maximale Verantwortungslosigkeit unterstellt", sagte sie, während sie zugleich betonte, die Pandemie-Politik nicht schlecht und "Verschwörungsverrückten" nicht das Wort reden zu wollen. Sie wünsche sich aber ein breiteres Spektrum an Stimmen und Perspektiven in der öffentlichen Diskussion, sagte sie.

Steinmeier forderte in seiner Eröffnungsrede, aus der Corona-Krise für die Zukunft zu lernen. Er warb dafür, über Maßnahmen zu streiten und zu ringen, machte aber auch eine Grenze deutlich: Es bleibe eine Tatsache, dass man über alles streiten könne, "aber nicht über die Existenz eines lebensgefährlichen Virus, dem wir uns entgegenstellen müssen", sagte er.