Koalition zeigt Offenheit für Ablösung von Staatsleistungen

Koalition zeigt Offenheit für Ablösung von Staatsleistungen
Die Staatsleistungen an die Kirchen sorgen seit vielen Jahren regelmäßig für Kritik. Alle Versuche der Opposition, die Zahlungen abzulösen, scheiterten in der Vergangenheit. Nun bewegt sich aber offenbar etwas aufseiten von Union und SPD.
05.11.2020
epd
Von Corinna Buschow (epd)

Berlin (epd). In die in der Vergangenheit oft verhärtet geführte Debatte um die Staatsleistungen an die Kirchen kommt Bewegung. Der Bundestag debattierte am Donnerstag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken über die jährlichen Zahlungen, die bis heute als Entschädigung für Enteignungen vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts vom Staat geleistet werden. Die Oppositionsvertreter bezeichnen ihren Vorschlag selbst als "fairen Kompromiss" - und stoßen anders als in der Vergangenheit damit nicht auf sofortige Ablehnung bei Union und SPD. Vertreter der Koalition würdigten den Antrag als sachlich, diskussionswürdig und solide, fordern zugleich aber weitere Beratungen ein.

Die Staatsleistungen sind von der Kirchensteuer und anderen Geldern für kirchliche Arbeit etwa in der Wohlfahrtspflege zu trennen. Sie gehen auf die Enteignung kirchlicher Güter zurück. Bis heute erhalten katholische und evangelische Kirche dafür Entschädigungen in Höhe von rund 500 Millionen Euro jährlich. Die Weimarer Reichsverfassung sah eine Ablösung vor, die ins Grundgesetz übernommen wurde. Ablösen müssen die Bundesländer, weil sie die Zahlungen leisten. Der Bund muss aber einen gesetzlichen Rahmen für die Verhandlungen schaffen.

Frühere Versuche der Linken, eine Ablösung durchzusetzen, wurden als kirchenfeindlich wahrgenommen und deswegen mehrheitlich abgelehnt. Das lag auch an dem gering bemessenen Faktor der Ablösesumme. Einigkeit besteht bei der großen Mehrheit des Bundestags, dass die Leistungen nicht einfach auslaufen können. "Die Ablösung bedeutet, dass wir nochmal Geld in die Hand nehmen müssen", sagte der SPD-Politiker Lars Castellucci im Bundestag.

FDP, Grüne und Linke schlagen nun vor, sich am Bewertungsgesetz zu orientieren, das für "wiederkehrende Nutzungen und Leistungen" einen Wert angibt, der das 18,6-fache der jährlichen Zahlungen umfasst. Mit dem Gesetz sollen die Länder in die Pflicht genommen werden, fünf Jahre nach Verabschiedung mit den Kirchen einen Rahmen der Ablösung verhandelt und spätestens 20 Jahre später die Entschädigung geleistet zu haben. Ob dies in Form von Einmal-, Ratenzahlungen oder durch Immobilienübertragungen geschieht, soll dabei den Verhandlungspartnern überlassen werden.

Vertreter von Union und SPD kritisierten in der Bundestagsdebatte den Rahmen für die Länder teilweise als zu eng. Zudem fordern sie, die Bundesländer in die Beratungen einzubeziehen. Der kirchenpolitische Sprecher der Union, Hermann Gröhe (CDU), kritisierte den Zeitraum von fünf Jahren für die Verhandlungen als zu kurz. Castellucci sagte: "Von uns wird es kein Gesetz gegen die Länder geben."

Die Oppositionsvertreter hatten die Koalition vor der Debatte vor einer Blockade des Antrags gewarnt. Der Verfassungsauftrag zur Ablösung bestehe seit 100 Jahren, sagte der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Benjamin Strasser. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz sagte, es gebe bereits konstruktive Gespräche mit den Kirchen. Die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz argumentierte, die Staatsleistungen seien auch ein "Imageproblem" für die Kirchen.

Auch aufseiten der Kirchen gibt es inzwischen größere Offenheit für die Diskussion. Der Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, sagte, der Gesetzentwurf biete "hilfreiche Anknüpfungspunkte". Zugleich verwies er auf "aus unserer Sicht notwendige weitere grundlegende Erörterungen" und nannte dabei unter anderem auch Gespräche mit den Bundesländern. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) äußerte sich am Donnerstag nicht, hatte den Vorschlag der Opposition aber in der Vergangenheit bereits als "hilfreichen Anknüpfungspunkt" gelobt.

Der Entwurf wird nun weiter in den Ausschüssen des Bundestags beraten. Die AfD hat dazu einen eigenen Vorschlag eingebracht. Er sieht vor, die Staatsleistungen ab 2027 ersatzlos zu streichen. Von den übrigen Fraktionen wurde dies als voraussichtlich verfassungswidrig zurückgewiesen.