Ministerin Schulze rechtfertigt Atommüll-Transport in der Pandemie

Ministerin Schulze rechtfertigt Atommüll-Transport in der Pandemie

Essen, Nordenham (epd). Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat die Entscheidung gerechtfertigt, Atommüll mitten in der Corona-Pandemie von England aus ins hessische Zwischenlager Biblis zu transportieren. "Wir haben Verantwortung für den Müll, den wir nicht im Ausland liegen lassen können", sagte Schulze den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Montag). Das sei vertraglich vereinbart. Aus logistischen und genehmigungsrechtlichen Gründen sei eine Verschiebung des Castor-Transport zudem nicht in Betracht gekommen. "Natürlich müssen Hygienekonzepte gelten für die Polizisten, die den Transport schützen", betonte Schulze.

Die Ministerin warb gegenüber Atomkraftgegnern um eine sachliche Debatte. Castor-Proteste seien heute nicht mit denen von früher vergleichbar, sagte sie. "Früher ging es um die große Frage, ob man für oder gegen Atomkraft ist." Heute diene ein solcher Transport "der Abwicklung eines Atomzeitalters, das bei uns zum Glück schon kurz vor dem Ende steht".

Ein Spezialschiff mit sechs Castoren von der britischen Wiederaufarbeitungsanlage in Sellafield sollte im Lauf des Wochenendes den Hafen im niedersächsischen Nordenham ansteuern. Von dort soll der Transport auf der Schiene bis ins Zwischenlager Biblis in Hessen gehen. Welche Route der Castor-Zug nach Biblis nimmt, wird von der Polizei und den Behörden geheim gehalten.

Der laufende Transport wird seit Samstag von Protestaktionen begleitet. Aktivisten vom Bündnis "Castor stoppen" versammelten sich nach eigenen Angaben am Sonntagmorgen am Hafen Nordenham. Am Bremer Hauptbahnhof demonstrierte am Vormittag die Umweltschutz-Organisation "Robin Wood" mit einer Kletteraktion. Auch in Münster war für Sonntag eine Kundgebung angekündigt. Dort hatten laut der Initiative "Klimaalarm" bereits am Samstag rund 500 Menschen gegen die Atompolitik der Bundesregierung protestiert.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte den ursprünglich für Anfang April geplanten Castor am 12. März zunächst abgesagt. Der Einsatz von 6.000 Bundespolizisten zum Schutz des Transportes sei wegen der Ausbreitung des Coronavirus nicht zu verantworten, hatte Seehofer damals erklärt. Beim aktuellen Transport sollen laut der Initiative "Sofortiger Atomausstieg Münster" bis zu 10.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz sein. Zu diesen Angaben gab es zunächst keine offizielle Bestätigung.

In den kommenden vier Jahren sollen den Angaben nach insgesamt noch 25 Castoren nach Deutschland gebracht werden - 20 aus Sellafield und fünf aus dem französischen La Hague. Außer Biblis werden die Zwischenlager an den Atomkraftwerken in Philippsburg in Baden-Württemberg, Ohu in Bayern und Brokdorf in Schleswig-Holstein angefahren.