Neue Pläne für EU-Asylsystem

Neue Pläne für EU-Asylsystem
Vorprüfungen an Außengrenzen - keine Umverteilungsquoten
In vier Monaten schaffen, was die letzten vier Jahre nicht geklappt hat: Die EU-Kommission hat ihre Pläne für ein neues Asylsystem mit einem ehrgeizigen Zeitplan versehen. Gegenwind gibt es jetzt schon.

Brüssel, Berlin (epd). Ein neues europäisches Asylsystem soll die EU-Länder am Mittelmeer entlasten, ohne die übrigen Mitgliedstaaten zu überfordern. Bei ihrem am Mittwoch in Brüssel vorgestellten "Neuen Pakt zu Migration und Asyl" setzt die EU-Kommission auf beschleunigte Verfahren an den Grenzen. Während Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Pläne begrüßte, gab es aus der Zivilgesellschaft scharfe Kritik.

Insgesamt soll das neue System nach den Worten von Kommissionschefin Ursula von der Leyen das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit der EU, Migration zu managen, wiederherstellen. Ihr Vize Margaritis Schinas erklärte, es sei Zeit, sich auf eine gemeinsame Politik zu einigen. Die Behörde strebt eine Grundsatzeinigung bis Ende des Jahres an. Eine 2016 gestartete Reform des EU-Asylrechts ist gescheitert.

Bei den neuen Vorschlägen handelt es sich um ein gestuftes System, bei dem irregulär eingereiste Asylbewerber schon an den EU-Außengrenzen einer umfassenden Prozedur unterzogen werden. Sie sollen registriert und identifiziert, ihre Gesundheit und mögliche Sicherheitsrisiken überprüft werden. Ebenfalls an der Grenze würde teilweise bereits über die Schutzberechtigung entschieden. Dies wäre etwa der Fall bei Menschen, die aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote stammen und wahrscheinlich keinen Schutz erhalten. Daneben wäre weiter "ein normales Asylverfahren" möglich.

Während abgelehnte Asylbewerber möglichst schnell abgeschoben würden, könnte für die übrigen eine Verteilung auf andere EU-Staaten folgen. Diese sollen freiwillig Menschen übernehmen können. Alternativ könnten sie etwa bei Abschiebungen helfen. Die EU-Kommission nennt das auf Englisch "return sponsorship", was sich mit "Abschiebe-Patenschaft" übersetzen lässt. Im Extremfall will die Kommission alle Mitgliedstaaten entweder zur Aufnahme oder zur Hilfe bei Abschiebungen zwingen können, wobei ihnen aber die Wahl bliebe. Verpflichtende Umverteilungsquoten gäbe es damit nicht.

Die Vorschläge, die in Form von Gesetzesvorschlägen und gemeinsam mit weiteren Maßnahmen zu Migration und Asyl präsentiert wurden, beraten und entscheiden nun das Europaparlament und der Rat der EU. Im Rat kann die Bundesregierung als Präsidentschaft noch bis Jahresende die Pläne vorantreiben. Innenminister Seehofer äußerte bereits, er unterstütze die Pläne, nicht schutzberechtigte Asylbewerber an den Außengrenzen zurückzuweisen. Die Verteilungsfrage sei "eine völlig andere", wenn die Mehrzahl der Menschen bereits dort abgewiesen werden könne. Dennoch erwarte er schwierige Verhandlungen, sagte Seehofer in Berlin.

Die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont nannte die Vorschläge einen "Schritt in die richtige Richtung". Der AfD-Parlamentarier Jörg Meuthen hingegen tadelte: "Zu schließende Grenzen sollen noch weiter geöffnet werden. Und Europa soll für Menschen aus dem afrikanischen und arabischen Raum ein erreichbares Ziel werden." Dagegen urteilte der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt: "Der Vorschlag der EU-Kommission würde das Modell der griechischen Massenlager in Gesetzesform gießen. Asylverfahren und geschlossene Lager an den Grenzen dürfen nicht zur neuen Norm werden."

Scharfe Zurückweisung erfuhren die Pläne auch durch Akteure der Zivilgesellschaft. Marie von Manteuffel von "Ärzte ohne Grenzen" erklärte, spätestens seit den Bränden auf Lesbos und Samos sei klar, dass es in der EU-Migrationspolitik einen radikalen Kurswechsel brauche. "Der von der EU-Kommission vorgestellte Entwurf des Paktes ist das Gegenteil hiervon." Die Leiterin des Brüsseler Büros der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Hatzinger, sagte, die Pläne bürdeten "die Hauptverantwortung für den Umgang mit den Schutzsuchenden weiterhin den Staaten an den EU-Außengrenzen auf". Mit Blick auf die Grenzverfahren befürchte sie "eine Ausweitung der menschenunwürdigen Lagerzustände" wie auf den griechischen Inseln und eine Einschränkung des Rechtsschutzes.