Corona-Krise: Aufhebung des Patentsystems für Medikamente gefordert

Corona-Krise: Aufhebung des Patentsystems für Medikamente gefordert

Bielefeld, Frankfurt a. M. (epd). Entwicklungspolitische Organisationen und Gesundheitswissenschaftler aus 20 Ländern fordern angesichts des Wettlaufs um einen Corona-Impfstoff die Aufhebung des Patentschutzes für unentbehrliche Arzneimittel. Zur Bewältigung der aktuellen Krise und künftiger Pandemien müsse Forschung transparent erfolgen, medizinisches Wissen als Gemeingut behandelt und die Macht von Pharmaunternehmen im öffentlichen Interesse begrenzt werden, erklärten die industriekritische Buko Pharma-Kampagne und die Hilfsorganisation medico international am Dienstag in Bielefeld und Frankfurt am Main.

Nur so sei es möglich, dass Medikamente und ein Impfstoff gegen Covid-19 mit der gebotenen Sorgfalt entwickelt, flächendeckend produziert und gerecht verteilt werden können. Unter dem Motto "Patente töten" haben die beiden Organisationen eine Online-Petition gestartet. Die Unterschriftenaktion wird von über 100 zivilgesellschaftliche Gruppen und Wissenschaftlern unter anderem aus Deutschland, Belgien, Brasilien sowie Sierra Leone und Südafrika, Bangladesch und Afghanistan unterstützt.

"Das Patentsystem hat die Wissensproduktion im medizinischen Bereich ungerechterweise auf Gewinnmaximierung und Kapitalerträge ausgerichtet, nicht auf die Erforschung und Entwicklung lebensrettender Medikamente und deren faire Verteilung", kritisierte Max Klein von der Buko Pharma-Kampagne. So stürben jedes Jahr Millionen Menschen in Armenvierteln und Flüchtlingslagern an Krankheiten wie Tuberkulose, Diabetes oder Malaria, weil die Pharmaindustrie sie nicht "als attraktiver Markt" betrachte. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO hat ein Drittel aller Patientinnen und Patienten weltweit aufgrund hoher Preise und anderer struktureller Hindernisse keinen Zugang zu notwendigen Medikamenten.

Nicht erst die Corona-Krise zeige, dass ein Richtungswechsel in der Forschungspolitik nötig sei, heißt es in dem Appell. Dort wird unter anderem die Einrichtung eines globalen Patentpools unter dem Dach der WHO, eine sozialverträgliche Lizenzierung bei allen mit öffentlichen Mitteln geförderten medizinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie eine Daten- und Preistransparenz von der Pharmabranche gefordert. Außerdem sollten Länder des Südens Hilfe beim Aufbau eigener Produktionskapazitäten durch Technologietransfer, Anschubfinanzierungen und die Schaffung regionaler Verteilungssysteme für Medikamente erhalten.