Streit über Studie zu Extremismus bei der Polizei neu entfacht

Streit über Studie zu Extremismus bei der Polizei neu entfacht
Seehofer: Wird es mit mir nicht geben
Nötige Aufklärung oder Anschwärzen und Generalverdacht? Die Politik ist zwar einhellig besorgt über rechtsextreme Gruppen bei der Polizei. Ob diese Entwicklung aber gezielt untersucht werden soll, ist umstritten.

Düsseldorf, Berlin (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bleibt auch nach der Enttarnung einer rechtsextremen Chat-Gruppe in der nordrhein-westfälischen Polizei bei seiner Ablehnung einer wissenschaftlichen Untersuchung zu Extremismus in dem Bereich. "Eine Studie, die sich ausschließlich mit der Polizei und dem Vorwurf eines strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei beschäftigt, wird es mit mir nicht geben", sagte er der "Bild am Sonntag". Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht eine solche Studie skeptisch. Scharfe Kritik an dieser Haltung äußerten Grüne und SPD.

Seehofer sagte, es bedürfe "eines wesentlich breiteren Ansatzes für die gesamte Gesellschaft, und an diesem arbeiten wir". Zunächst werde nun das Bundesamt für Verfassungsschutz Ende des Monats einen Bericht über Rassismus und Extremismus in den Sicherheitsbehörden vorlegen.

Dagegen fordert Grünen-Chef Robert Habeck eine "spezifische Aufklärung, die die Lage der Polizei und die interne Kommunikation analysiert". Nachdem rechtsextremistische Chatgruppen in mehreren Bundesländern entdeckt worden seien, können nicht mehr so getan werden, als gäbe es kein Problem, sagte Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online/Montag).

Seehofer habe offenbar "noch nicht verstanden, dass eine Studie zum Rechtsradikalismus in der Polizei kein Angriff oder Generalverdacht ist, sondern die Polizistinnen und Polizisten genau davor schützt". Aufklärung bringe Licht ins Dunkel und sei "das Gegenteil von Anschwärzen". Der Grünen-Vorsitzende plädierte auch für die Einrichtung eines unabhängigen Polizeibeauftragten: "Nur so kann falsch verstandener Corpsgeist wirksam bekämpft werden."

Auch für die nordrhein-westfälische SPD zeigt Seehofers Haltung, "dass er das Ausmaß der Vorfälle nicht begriffen hat". Eine wissenschaftliche Studie könne ermitteln, "welche Instrumente bei der Einstellung, der Ausbildung und im Dienst der Beamten verändert werden müssten, um bei rechtsradikalen Umtrieben gegensteuern zu können", erklärte der Landtags-Fraktionsvize Sven Wolf in Düsseldorf. Das sei im ureigenen Interesse der Polizisten, die täglich für die Verteidigung des Rechtsstaates den Kopf hinhielten.

Der Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates, Mehmet Kilic, schloss sich am Wochenende den Rufen nach einer bundesweiten Untersuchung an. Dies könne nicht einzelnen Bundesländern überlassen werden, sagte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete im Deutschlandfunk.

NRW-Innenminister Reul sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag) zu einer Untersuchung von Rechtsextremismus bei der Polizei, zwar sei er nicht grundsätzlich gegen die Einbeziehung von wissenschaftlichem Sachverstand. "Aber ich will auch nicht das Spiel derjenigen Wissenschaftler spielen, deren Geschäftsmodell offenbar darin besteht, mit vorgefertigten polizeikritischen Thesen ins TV oder in die Zeitung zu kommen." Gegen 30 Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen wird derzeit ermittelt, weil sie in privaten WhatsApp-Chatgruppen rechtsextremistische Propaganda ausgetauscht haben sollen.