Abtreibungsgegner und Befürworter demonstrieren in Berlin

Mehrere hundert Menschen protestierten vor dem Brandenburger Tor gegen einen Aufmarsch von religiösen Abtreibungsgegnern.
epd/Christian Ditsch
Mehrere hundert Menschen protestierten vor dem Brandenburger Tor gegen einen Aufmarsch von religiösen Abtreibungsgegnern.
Abtreibungsgegner und Befürworter demonstrieren in Berlin
In unmittelbarer Hör- und Sichtweite haben Abtreibungsgegner und -befürworter in Berlin demonstriert. Es kam zum gegenseitigen verbalen Schlagabtausch. Rund 950 Polizisten waren im Einsatz.

Mehrere Tausend Abtreibungsgegner und -befürworter haben am Samstag in Berlin demonstriert. Die beiden politischen Lager trafen zeitgleich auf den gegenüberliegenden Seiten des Brandenburger Tores zusammen. Die Polizei hielt die unterschiedlichen Gruppen unter anderem mit Absperrgittern voneinander getrennt. Rund 950 Polizisten waren im Einsatz, darunter die Bundespolizei und Kollegen aus Baden-Württemberg, wie eine Polizeisprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.

Der Bundesverband Lebensrecht hatte zu seinem traditionellen "Marsch für das Leben" aufgerufen, um für den Schutz des ungeborenen Lebens zu demonstrieren. Laut Veranstalter nehmen daran 3.000 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet teil. "Unsere Zahlen sind nicht so hoch", sagte die Polizeisprecherin, sie sprach von einer Teilnehmerzahl im "unteren vierstelligen Bereich".

Die Teilnehmer beim "Marsch für das Leben" trugen Schilder mit Sprüchen wie "Kindergeld für Ungeborene", "Zuwendung statt 'Sterbehelfer'" oder "Nie wieder 'unwertes Leben'". Als einer der Redner betonte der frühere Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), dass der Klimawandel und das Aussterben von Tierarten mit der "mangelnden Rücksicht auf die Schöpfung" zusammenhänge. Der Schutz der Natur müsse auch für das ungeborene Leben gelten.

Unterstützt wurde die Veranstaltung auch von christlichen Gruppen und einigen führenden Kirchenvertretern. So kamen laut Bundesverband Lebensrecht unter anderem Grußworte vom Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Tobias Bilz, vom katholischen Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, vom Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Otfried July, sowie vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing.

Laut Augenzeugenberichten waren beim "Marsch für das Leben" aber auch Teilnehmer, die antisemitische oder die Schoah relativierte Symbole trugen. Ein Teilnehmer trug nach Angaben des Berliner "Tagesspiegel" ein T-Shirt mit einem Davidstern-ähnlichen Zeichen, in dessen Mitte ein Embryo abgebildet war. Auch die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) kritisierte via Twitter, dass bei der Veranstaltung in diesem Jahr erneut auf den offiziellen Plakaten der Organisatoren mit NS-Begriffen wie "unwertes Leben" und dem Slogan "Nie wieder" Schwangerschaftsabbrüche mit der Ermordung von Menschen im NS gleichgesetzt würden. 

In unmittelbarer Sicht- und Hörweite forderte das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Unter dem Motto "Leben. Lieben. Selbstbestimmt" sprachen sich die Teilnehmer für eine Streichung der Paragrafen 218 und 219a aus dem Strafgesetzbuch aus. Mit dem Gesetz würden Schwangerschaftsabbrüche von Ärztinnen und Ärzten kriminalisiert. Gefordert wurde zudem eine geschlechter- und kultursensible Sexualaufklärung für alle. Zum Bündnis gehören Beratungsstellen, Frauengruppen und Verbände. Die Zahl der Demonstrierenden lag hier nach Veranstalterangaben bei 1.000 und laut Polizei "im oberen dreistelligen Bereich".  

Der "Marsch für das Leben" sollte mit einem ökumenischen Gottesdienst vor dem Brandenburger Tor abschließen. Die Predigt hielt der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Mit Blick auf die Todesopfer der Corona-Krise in diesem Jahr sagte der katholische Geistliche: "Das Jahr 30 nach der Wiedervereinigung Deutschlands ist zu einem Jahr der Frage nach dem Leben und dem Schutz des Lebens des Menschen geworden." Jeder Mensch sei einmalig. Christen würden "für das Lebensrecht des ungeborenen Kindes genauso wie für das Lebensrecht dessen, der in den Augen der Gesellschaft gering geachtet wird", kämpfen, sagte Koch laut vorab verbreitetem Manuskript.