Menschenrechtler: Türkei will alevitische Region islamisieren

Menschenrechtler: Türkei will alevitische Region islamisieren

Göttingen (epd). Menschenrechtler werfen der türkischen Regierung vor, mit dem Bau großer Tourismus-Komplexe in Ostanatolien die für kurdische Aleviten heiligen Munzur-Quellen zu zerstören. Die lokale Bevölkerung sei in die Pläne und Baumaßnahmen nicht eingebunden, sagte am Dienstag der Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido. Offenbar plane die Regierung in Ankara, die uralte alevitisch-kurdische Region Dersim (türkisch: Tunceli) weiter zu türkisieren und zu islamisieren.

In den vergangenen Jahren hätten bereits mehrere Staudamm-Projekte die Umwelt in Teilen des Munzur-Tals schwer belastet, sagte Sido. Die neuen touristischen Bauten könnten das Gesicht der Munzur-Quellen für immer verändern: "Die natürliche Schönheit der Region wird Schaden nehmen, ebenso wie die traditionellen Gebetsstätten der Aleviten." Diese Gebetsstätten zählten zu den heiligsten Stätten der alevitischen Kurden in der Türkei und Syrien.

Das Wasser des Munzur-Flusses entspringt Sido zufolge aus etwa 40 Quellen. Alevitische Gläubige pflegten sie seit Jahrhunderten. Nach ihrem Glauben dürfe der natürliche Zustand dieser Quellen nicht zerstört oder verändert werden. "Sie sind Gebetsstätten und Treffpunkt für Hunderttausende alevitische Pilgernde aus der ganzen Welt. Dort beten sie und verteilen ihr Abendmahl Miyaz." Die Quellen hätten im Alevitentum denselben Stellenwert wie etwa der Wallfahrtsort Fatima in Portugal für katholische Gläubige, fügte Sido hinzu.

Das Alevitentum ist in der Türkei nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker nicht als eigenständige Glaubensgemeinschaft anerkannt. Viele alevitische Gläubige bezeichneten sich zwar als Muslime, lehnten das Rechtssystem der Scharia aber strikt ab. Auch andere Rituale des Islam spielten für sie keine Rolle. Sie beteten nicht in Moscheen und pilgerten nicht nach Mekka. Während Frauen im Islam den Männern in der Regel untergeordnet seien, seien sie bei den Aleviten gleichgestellt.