Generalbundesanwalt erhebt Anklage im Mordfall Walter Lübcke

Generalbundesanwalt erhebt Anklage im Mordfall Walter Lübcke

Karlsruhe, Frankfurt a.M. (epd). Der Generalbundesanwalt hat Anklage im Mordfall Walter Lübcke gegen den mutmaßlichen Täter Stephan Ernst (47) erhoben. Ernst sei des Mordes hinreichend verdächtig, heißt es in der am Mittwoch verbreiteten Mitteilung der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Auch gegen den mutmaßlichen Komplizen Markus H. (44) wurde wegen Beihilfe Anklage vor dem Staatsschutzsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts erhoben. Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte den Eingang der Anklage am Mittwoch per Mitteilung. Das Gericht prüfe nun die Zulassung zur Hauptverhandlung.

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) war am 1. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfenhagen angeschossen worden, später starb er an den Folgen des Kopfschusses. Aus Sicht des Generalbundesanwalts fuhr Ernst am Abend des 1. Juni 2019 nach Wolfhagen-Istha, um den Kasseler Regierungspräsidenten zu töten. Diesen Tag habe der Angeschuldigte bewusst gewählt, weil er hoffte, wegen der alljährlich stattfindenden "Weizenkirmes" unerkannt zu bleiben, heißt es in der Anklageschrift. Gegen 23.20 Uhr habe er sich im Schutze der Dunkelheit dem Wohnhaus genähert. Lübcke habe zu diesem Zeitpunkt auf der Terrasse gesessen. Ernst habe Lübcke aus kurzer Entfernung mit einem Revolver in den Kopf geschossen.

Ausschlaggebend für die Tat sei die von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung von Ernst gewesen. Der mutmaßliche Täter habe seinen Fremdenhass auf Lübcke projiziert, weil dieser die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung verteidigt habe, heißt es in der Anklageschrift. "Spätestens seit dem Geschehen in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln und dem islamistischen Attentat in Nizza im Juli 2016 hatte er den Entschluss gefasst, Dr. Lübcke zu töten, um diesen für dessen - aus Sicht von Stephan E. verfehlte - Haltung in der Flüchtlingspolitik abzustrafen."

Markus H. förderte laut Bundesanwaltschaft den Mordanschlag unter anderem durch gemeinsame Schießübungen in Wäldern und Schützenvereinen in den Jahren 2016 bis 2018. Zwar sei H. nicht in die konkreten Anschlagspläne eingeweiht gewesen, habe es jedoch spätestens ab Juli 2016 für möglich gehalten, dass Stephan Ernst aus seiner rechtsextremistischen Weltanschauung heraus einen politischen Entscheidungsträger töten würde.

Stephan Ernst war am 15. Juni 2019 vorläufig festgenommen worden. Er befindet sich seit dem 16. Juni 2019 in Untersuchungshaft. Nach seiner Festnahme hatte er den Mord an Lübcke zunächst zugegeben, das Geständnis aber später widerrufen und erklärt, ein Mitbeschuldigter habe Lübcke versehentlich erschossen. Die Bundesanwaltschaft hat zudem Ermittlungen wegen des versuchten Mordes an dem irakischen Asylbewerber Ahmad E. übernommen. Ernst soll den Iraker im Jahr 2016 in Lohfelden mit einem Messer angegriffen haben.