Bonn (epd). Die Corona-Pandemie und der weltweite Lockdown treiben Entwicklungs- und Schwellenländer nach Expertenmeinung in eine massive Schuldenkrise. "Bereits vor der Corona-Krise war nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) gut die Hälfte der ärmsten Entwicklungsländer kritisch überschuldet", sagte der Finanzexperte Bodo Ellmers vom Bonner Global Policy Forum dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Auch einige große Schwellenländer wie Argentinien hätten schon Staatsbankrott angemeldet. "Die Corona-Krise hat die Situation noch massiv verschlimmert." Die afrikanischen Länder seien hart getroffen, Verarmung und Hunger seien die Folge. Mehr als 80 Länder hätten bereits Notkredite beim IWF beantragt, um den Staatsbankrott zu vermeiden.
Die Notkredite verschafften den Ländern aber nur etwas Zeit und Liquidität. "Einem Land, das tatsächlich insolvent ist, kann mit neuen Schulden nicht geholfen werden, hier müssten tatsächlich die Schuldenberge durch Schuldenerlasse abgetragen werden." Ellmers beklagte auch eine massive Kapitalflucht seit Beginn der Corona-Krise: "Alleine im März haben Investoren über 100 Milliarden US-Dollar aus Entwicklungsländern abgezogen und in vermeintlich sichere Häfen gebracht. Das droht arme Länder finanziell auszutrocknen."
Währungen verlören an Wert, das verteuere Importe, auch für Medikamente und Geräte, die in der Corona-Krise dringend gebraucht würden. Außerdem mache der Währungsverfall die Bedienung von Auslandschulden schwerer, die in Dollar oder Euro abzuzahlen sind. "Die Kapitalflucht verstärkt die Schuldenkrise also noch", warnte der Politikwissenschaftler des Bonner Thinktanks.
Die Vereinten Nationen haben laut Ellmers einen Schuldenerlass im Volumen von einer Billion Dollar als notwendig errechnet, damit Entwicklungsländer die Corona-Krise bewältigen können. Vom jetzt beschlossenen Schuldenerlass des IWF profitierten zwar 25 der ärmsten Länder, aber es würden nur die Ratenzahlungen auf IWF-Kredite für den Rest des Jahres erlassen. "Das sind etwas mehr als 200 Millionen US-Dollar. Also eher ein symbolischer Betrag." Die G20-Staaten wiederum hätten ein Stunden von Raten beschlossen. Das entlaste 77 Länder in diesem Jahr um etwa 14 Milliarden Dollar. Dafür müssten sie aber in den folgenden drei Jahren mehr zahlen.
Wichtig ist laut Ellmers vor allem, dass auch die privaten Gläubiger wie Privatbanken und Investmentfonds in die Entschuldung einbezogen werden. Sie verlangten oft Zinssätze von zehn Prozent und mehr pro Jahr. "Das sind die teuersten Schulden, die müssen angegangen werden, wenn Gelder freigesetzt werden sollen", betonte er. Auch das Corona-Sonderprogramm der Weltbank in Höhe von 14 Milliarden Dollar sei zwar gut, verschärfe aber das Überschuldungsproblem noch, weil es Kredite und keine Zuschüsse biete. Zudem sei es kein frisches, sondern umgeschichtetes Geld, das an anderer Stelle fehlen werde.