EKD-Kulturbeauftragter fordert mehr Nähe bei Sterbebegleitung

Johann Hinrich Claussen
© epd-bild/Norbert Neetz
Hochbetagte und demenziell veränderte Menschen bräuchten "vor allen Dingen Nähe, ein zugewandtes Gesicht und Berührung", sagt EKD-Kulturbeauftragter Johann Hinrich Claussen
EKD-Kulturbeauftragter fordert mehr Nähe bei Sterbebegleitung
Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, wünscht sich leichteren Zugang von Seelsorgern und Angehörigen zu schwer kranken und sterbenden Menschen auch während der anhaltenden Corona-Pandemie. Auch eine Lockerung bei Beerdigungen sei wünschenswert.
16.04.2020
epd
epd-Gespräch: Stephan Cezanne

Hochbetagte und demenziell veränderte Menschen bräuchten "vor allen Dingen Nähe, ein zugewandtes Gesicht und Berührung", sagte Claussen dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Manchmal frage ich mich und fragen sich immer mehr Menschen, ob wir nicht in die Gefahr geraten, Menschen zu Tode zu retten, deren Lebensende absehbar ist."

Natürlich dürfe niemand ein Coronavirus durch ein ganzes Altenheim tragen, fügte Claussen hinzu: "Aber dass Menschen, die offenkundig am Ende ihres Lebens stehen, von Angehörigen oder Seelsorgern keinen Besuch empfangen dürfen, das ist schon eine sehr harte Maßnahme, die man nicht auf Dauer aufrechterhalten kann. Da steht einfach die Menschlichkeit des Sterbens infrage."

Ritueller Abschied muss wieder möglich sein

Claussen plädierte zudem für erste vorsichtige Lockerungen der strengen Einschränkungen bei Beerdigungen wegen der Corona-Krise. "So hart das klingt: Einen Ostergottesdienst kann man auch in einem Jahr wieder feiern, aber eine Beerdigung eben nicht. Auch eine Hochzeit kann man verlegen, eine Beerdigung nicht", sagte Claussen. Er selbst habe keine fertigen Lösungen parat, aber die Social-Distancing-Maßnahmen hätten hohe Kosten. Diese ließen sich anders als andere Dinge später nicht wieder gutmachen.

Zur Kultur einer guten Beerdigung gehöre eine angemessene Feier: "Wir erleben schon vor Corona in vielen Großstädten, dass bei 50 Prozent der Menschen nach dem Lebensende schon gar nichts mehr passiert. Jetzt stellen viele Menschen fest, was für ein Verlust das eigentlich ist." Man sehe jetzt, dass eine gute Bestattungskultur "bedeutsam, heilsam und für eine Kultur insgesamt lebensnotwendig" ist.

Trauergemeinden seien sehr diszipliniert und hielten sich an die Regeln des Kontaktschutzes, betonte der evangelische Theologe. Daher müsste es jetzt eigentlich möglich sein, einen guten rituellen Abschied zu nehmen. Es sei sehr wichtig, dass der Akt des Abschiednehmens auch körperlich und gemeinschaftlich erfolgt.

Der Abschied einer Person betreffe zudem nicht nur die Kernfamilie und den allerengsten Kreis. "Tote und Verstorbene haben einen viel größeren Umkreis, von dem oft die eigenen Kinder nichts wissen", erklärte Claussen. "Deshalb gehört zu einer guten Beerdigung für mich auch eine gewisse Art der Öffentlichkeit."