Historiker: Seuchen sind Stresstest für die Gesellschaft

Historiker: Seuchen sind Stresstest für die Gesellschaft

Münster (epd). Seuchen wie die aktuelle Corona-Pandemie sind nach Einschätzung des Münsteraner Historikers Malte Thießen ein "Stresstest für die Gesellschaft". Sie machten Erschütterungen der Gesellschaft sichtbar und legten soziale Bindekräfte und Konflikte offen, erklärte Thießen am Mittwoch in Münster. Aktuell hinterlasse dieser Stresstest einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits seien krude Verschwörungstheorien sowie Hamsterkäufe ein Signal für Gefährdungen gesellschaftlichen Zusammenhalts. Andererseits seien gerade im sozialen Nahbereich viele Formen solidarischen und verantwortungsvollen Verhaltens zu sehen.

Solidarische Verhaltensweisen wie das Einkaufen für ältere Menschen oder die Unterstützung von Pflegekräften sollten Mut machen und als Vorbild dienen, sagte Thießen. Auch die umsichtige Selbstisolation potenziell Erkrankter zeige vielleicht doch, "dass wir aus der Seuchengeschichte gelernt haben". Scharf kritisierte der Historiker Verschwörungstheorien und das Suchen nach "Sündenböcken" im Fall der aktuellen Pandemie. Ängste würden geschürt durch Sorgen vor Migranten oder "Randgruppen", vor gewinnsüchtigen Pharmaunternehmen, vor einem allmächtigen oder vor einem hilflosen Staat. Seuchen lösten gewaltige Ängste aus, weil sie jeden treffen könnten, so der Leiter des Instituts für westfälische Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL).