TV-Tipp: "Tatort: Niemals ohne mich" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Niemals ohne mich" (ARD)
Der Titel dieses "Tatort" erschließt sich weder auf Anhieb noch später: "Niemals ohne mich" ist ein Sozialdrama über Menschen, deren frühere Lebensgefährten oder Ehepartner sich vor den Unterhaltszahlungen für die gemeinsamen Kinder drücken.

Die Krimis aus Köln haben ohnehin eine gewisse Neigung zur Weltverbesserung und erwecken mitunter den Anschein, die obligate Leiche sei bloß ein Vorwand, um über ein gesellschaftlich relevantes Thema berichten zu können. Zum Muster gehört auch die Uneinigkeit der Kommissare: Während Schenk (Dietmar Bär) viel Verständnis dafür hat, dass die Leute vom Jugendamt ein Auge zudrücken, wenn jemand einen kleinen Nebenverdienst verschweigt, stellt Ballauf (Klaus J. Behrendt) sinngemäß die rhetorische Frage, wo wir denn da hin kämen, wenn jeder mache, was er wolle.

Davon abgesehen wirkt der Film zunächst, als habe Autor Jürgen Werner ein paar Fallstudien recherchiert und drumherum eine Handlung konstruiert. Die Charaktere sind dabei allerdings etwas schematisch ausgefallen. Dass sich bei den Sozialkrimis Gut und Böse umgehend identifizieren lassen, gehört als Merkmal ebenso zu den Krimis aus Köln wie die unvermeidliche Currywurst auf der anderen Rheinseite. Schon der beklemmende Auftakt entspricht diesem Muster: Ein Vorzeigevater (Peter Schneider) übergibt seine Kinder der Ex-Frau und muss sich auf offener Straße beschimpfen lassen. Äußerungen wie "habe ich dir schon hundert mal gesagt" oder "Jetzt pass mal auf" sowie ein "Fick dich!" zum Abschied sorgen dafür, dass die Dame für den Rest des Films diskreditiert ist. Später, als Rainer Hildebrandt (Peter Schneider) unter Mordverdacht steht, erzählt er den Kommissaren die ganze Geschichte: wie die Ex ein Verhältnis mit dem gemeinsamen Chef angefangen hat, wie er daraufhin seinen Job verloren hat, wie sie nun im Luxusdomizil ihres neuen Lebensgefährten in Saus und Braus lebt, während er von Hartz IV vegetiert, weil sie angeblich arbeitslos ist und keinen Unterhalt zahlen kann, obwohl sie mehr arbeitet als zuvor.

Hildebrandt wird jedoch nicht etwa verdächtigt, seine Ex-Frau umgebracht zu haben; die bleibt noch eine ganze Weile putzmunter. Das Mordopfer in dieser Geschichte ist die für Hildebrandt zuständige Sachbearbeiterin vom Jugendamt, und weil sie mit ihrem Smartphone aufgenommen hat, wie ihm in ihrem Büro angesichts all’ der Ungerechtigkeit der Kragen geplatzt ist, wird er nun des Mordes verdächtigt. Das gilt allerdings auch für einen weiteren Vater, aber hier liegen die Dinge genau andersrum: Stefan Krömer (Gerdy Zint) posiert stolz mit seinem neuen Schlitten auf Instagram, bleibt der Mutter seine Tochter aber ständig die Zahlungen schuldig. Auch in diesem Fall nimmt sich der Film viel Zeit, um zu schildern, wie sich Julia Beck (Karen Dahmen) abrackern muss, um sich und das Mädchen über Wasser zu halten. Krömer ist gegenüber der Beamtin ebenfalls aggressiv geworden. Die Dame galt zudem als höchst penibel und hat gern Kollegen denunziert, wenn die mal wieder Fünfe grade sein ließen, weshalb auch Ingrid Kugelmaier (Anna Böger) zum Kreis der Verdächtigen zahlt: Ihr drohte die dritte und letzte Abmahnung.

Wie immer, wenn sich Krimis eines bestimmten Themas annehmen, muss allerlei erklärt werden. Weil Werner, Schöpfer unter anderem des Dortmunder "Tatort"-Teams wie auch der "Bozen-Krimis", ein alter Hase ist, sind Hintergrundinformationen wie jene, dass nur ein Viertel der unterhaltspflichtigen Eltern regelmäßig zahlt, immerhin halbwegs harmonisch in die Dialoge integriert. Die beiden Beamtinnen arbeiten für die Unterhaltsvorschusskasse. Diese Stelle springt ein, wenn Väter oder Mütter den Unterhalt schuldig bleiben, und natürlich sollen die Frauen das Geld wieder eintreiben, was regelmäßig zu Ärger führt. Gemessen am entsprechenden Aggressionspotenzial hat Nina Wolfrum den mit viel zärtlicher Klaviermusik (Olaf Didolff) unterlegten Film allerdings sehr entspannt inszeniert. Ihr Fernsehfilmdebüt war zuletzt "Ein Killer und ein Halber" aus der ARD-Reihe "Nord bei Nordwest", ein anfangs sanfter, später aber zunehmend mörderischer Krimi. Die einfallslose Besetzung ist ihr womöglich gar nicht anzulasten: Peter Schneider muss ständig Opferrollen spielen, und Gerdy Zint wird ausschließlich für zwielichtige Gestalten engagiert. Überflüssig sind auch die Nahaufnahmen nervöser Hände oder das gleichfalls aufdringlich vorgeführte wütende Zerbrechen eines Bleistifts, und am Schluss läuft Wolfrum der Film ein bisschen aus dem Ruder. Dafür endet er mit einem ziemlich grimmigen Ausrufezeichen.