Polizei hat DDR-Neonazis unterschätzt

Polizei hat DDR-Neonazis unterschätzt

Berlin (epd). Der Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner hat den Sicherheitsbehörden nach der deutschen Wiedervereinigung eine Verharmlosung der militanten Neonaziszene in Ostdeutschland vorgeworfen. Der Rechtsextremismus sei Anfang der 90er Jahre kleindiskutiert worden, "um behaupten zu können, dass wir keine Neonazis haben", sagte der Begründer der Nazi-Aussteiger-Organisation "Exit Deutschland" der "tageszeitung" (Samstag).

Dabei hätten die Nazis nach dem Mauerfall "als erste politische Bewegung die Wiedervereinigung vollzogen". Die Polizei im vereinigten Deutschland sei aber viel zu zart damit umgegangen. "Laut Mainstream der westdeutschen Sozial- und Jugendforschung" hatten Neonazis ja eher Bildungs- und Sozialisationsprobleme, sagte Wagner.

Ende der 80er Jahre habe es ungefähr 15.000 "mehr oder minder organisierte" Neonazis in der DDR gegeben. Das ultra-militante Feld habe "um die 1.000 Leute" umfasst, "die mehrfach mit Straftaten mit eindeutigen NS-Bezügen in Erscheinung getreten waren", unterstrich Wagner, der bereits in der DDR als Kriminalbeamter die rechte Szene beobachtete.

Trotz des Antifaschismus als Staatsdoktrin sei im DDR-Alltag rechte Ideologie immer virulent gewesen, sagte Wagner weiter. "Niemand in der DDR hat gegen völkische Ideen gewettert." Ab 1985 habe die Kriminalpolizei intern vor Nazis gewarnt. Erst mit dem Überfall von Naziskinheads auf die Ostberliner Zionskirche bei einem Konzert von "Element of Crime" sei das Problem nur noch schwer zu verharmlosen gewesen, so Wagner.