Coronavirus: Angstforscher warnt vor Panikmache

Coronavirus: Angstforscher warnt vor Panikmache
27.02.2020
epd
epd-Gespräch: Gunnar Müller

Göttingen (epd). Der Göttinger Angstforscher und Psychiater Borwin Bandelow (68) rät zu einem "gesunden Fatalismus" im Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland. "Wir hatten ähnliche Fälle mit der Vogelgrippe oder dem viel gefährlicheren Sars-Virus", sagte Bandelow am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Immer wenn eine neue Gefahr auftauche, entstünden für einen gewissen Zeitraum Ängste. Menschen gewöhnten sich aber an neue Situationen. Ein Problem sehe er momentan eher in überzogenen Gegenmaßnahmen.

Die Angst vor der Ausbreitung und Ansteckung sei nicht ganz unberechtigt oder irrational, sagte der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Göttingen. Menschen seien bereits daran gestorben, und Corona scheine gefährlicher als ein Grippevirus zu sein. Auf der anderen Seite seien bei der großen Grippewelle 2017 und 2018 rund 25.000 Menschen gestorben: "Und das stecken wir weg, weil wir gelernt haben, dass das zum Leben dazu gehört." Menschen nutzten weiterhin Autobahnen, auch wenn sie um die möglichen Gefahren des Straßenverkehrs wüssten, sagte Bandelow.

Bei Vorfällen wie einem Terroranschlag oder der Atomreaktor-Katastrophe von Fukushima gebe es die Regel, dass nach etwa vier Wochen die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit trotz weiterhin bestehender Gefahren nachlasse. Während einige Medien mit ihrer Berichterstattung Panik schürten, versuchten andere zu beruhigen. "Die Menschen sind dann schlicht hin- und hergerissen zwischen unterschiedlichen Informationen", sagte Bandelow.

Die Infektionswelle habe sich jedoch jetzt erst von Asien nach Europa und Deutschland ausgebreitet, so dass das Coronavirus in der Wahrnehmung noch länger als Gefahr präsent sein werde, sagte der Wissenschaftler. "Man ist besorgter, je näher die Situation emotional und räumlich an einem dran ist."

Behörden, das Gesundheitsministerium und Medien sollten vorsichtig und sachlich mit Maßnahmen gegen die Ausbreitung umgehen, ohne gleichzeitig die Situation herunterzuspielen, mahnte Bandelow: "Mitunter wollen Verantwortliche nicht tatenlos abwarten, so dass Überreaktionen programmiert sind." Der Göttinger Wissenschaftler zählt zu den führenden Angstforschern in Deutschland.