TV-Tipp: "Ein Tag in Auschwitz" (ZDF)

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TV-Tipp: "Ein Tag in Auschwitz" (ZDF)
28.1., ZDF, 20.15 Uhr
75 Jahre und einen Tag nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee gibt es nicht mehr viele, die das namenlose Grauen überlebt haben. Dass "Ein Tag in Auschwitz" heute womöglich notwendiger denn je ist, hat jedoch andere Gründe: Wer nach diesem Film von Winfried Laasch und Friedrich Scherer immer noch applaudiert, wenn Politiker, die mit dem Faschismus liebäugeln, die Zeit des Nationalsozialismus als "Vogelschiss" der deutschen Geschichte bezeichnen, dem ist vermutlich nicht zu helfen.

Die Feststellung, jede Dokumentation über den Holocaust sei wichtig, sagt natürlich nichts über die Qualität eines Films aus; schließlich gibt es Hunderte, wenn nicht gar Tausende Produktionen dieser Art. Überschneidungen lassen sich kaum vermeiden; Fakten sind Fakten, und das zeitgenössische Material ist endlich. Trotzdem ist es Laasch und Scherer gelungen, einen besonderen Weg zu finden: Sie betten ihre Erzählung in eine Dramaturgie, die der eines Spielfilms ähnelt, und kondensieren die Geschichte des Vernichtungslagers, in dem zwischen 1940 und 1945 bis zu 1,5 Millionen Menschen ermordet worden sind, zu einem typischen Tag: Ende Mai 1944 ist die junge Ungarin Irene mit ihren Eltern und fünf Geschwistern in Auschwitz angekommen. Mit Hilfe von Fotografien rekonstruieren die Autoren den industriellen Ablauf der perfekten Tötungsmaschinerie: von der sogenannten Selektion nach Ankunft der Züge bis zum Massenmord; innerhalb von wenigen Stunden war das grauenhafte Werk vollbracht.

Die Aufnahmen bilden das dramaturgische Rückgrat des Films. Außerdem können Laasch und Scherer auf diese Weise die Perspektive der Täter miteinbeziehen. Lagerfotograf Bernhard Walter, ein SS-Unteroffizier, war Familienvater und ein offenbar geselliger Zeitgenosse. Natürlich stellt sich aus heutiger Sicht die Frage, wie ein Mensch den Genozid mit seinem Gewissen vereinbaren konnte; auch dies wird im Film anschaulich und nachvollziehbar beantwortet. Die Bilder stammen aus einem privaten Album Walters, es befindet sich heute in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem.

Formal orientiert sich der Film am üblichen Muster, nach dem die meisten zeitgeschichtlichen Dokumentationen funktionieren: Aussagen von Zeitzeugen werden durch dokumentarische Aufnahmen illustriert, ein Historiker sorgt für Hintergrundinformationen und sortiert die Fakten. Das klingt einfach, aber nicht jeder Überlebender ist auch ein guter Erzähler, und nicht jeder Historiker in der Lage, anschaulich und gut verständlich zu formulieren; Stefan Hördler (Universität Göttingen) allerdings schon. Bei der Auswahl der Zeitzeugen haben Laasch und Scherer ebenfalls ein gutes Gespür bewiesen. Irene Weiss, eine würdevolle alte Dame von mittlerweile 89 Jahren, trägt ihren Bericht nüchtern vor, fast emotionslos. Ihre Mutter und ihre kleinen Geschwister wurden in jenem Mai 1944 "aussortiert". Was aus ihnen wurde, schildert der zweite Zeitzeuge, ein Jude aus Griechenland: Dario Gabbai, heute 97, gehörte zum "Sonderkommando", er war einer jener Häftlinge, die die Opfer aus den Gaskammern zu den Öfen transportierten. Er rechtfertigt seine Kollaboration mit einem nachvollziehbaren Motiv: irgendwie überleben, um später erzählen zu können, was sich hier zugetragen hat. Eine dritte Ebene gilt einem polnischen Juden, dem die Flucht gelungen ist.

Jenseits der Informationsebene beeindruckt der Film auch durch technische Details. Anhand der Schatten auf den Fotos lässt sich zum Beispiel festlegen, zu welcher Uhrzeit Walter und sein Assistent die Aufnahmen gemacht haben; auf diese Weise ist eine exakte zeitliche Rekonstruktion des Ablaufs möglich. Dank der Digitalisierung nimmt die Kamera ein Bild als Ausgangspunkt und fliegt durch die Szenerie, bis die Einstellung schließlich gefriert und zum nächsten Foto wird. Ähnlich verblüffend ist ein weiterer Effekt: Eine Aufnahme zeigt Heinrich Himmler, der sich über ein Papier beugt. Die Kamera zoomt ins Foto, das nun in eine bildschirmfüllende Landkarte übergeht. Abgerundet wird die vorzügliche Gesamtleistung durch einen sachlichen und vom Schauspieler Philipp Moog frei von jedem unnötigen Pathos vorgetragenen Kommentar.

Die Rekonstruktionen sind ähnlich zurückhaltend und dienen tatsächlich nur der Illustrierung. Auf eine Inszenierung der Ereignisse in den Gaskammern haben Laasch und Scherer selbstverständlich verzichtet; die Bilder, die Gabbais Schilderungen im Kopf produzieren, genügen vollauf. Bei den Szenen mit dem SS-Fotografen vermeidet es die Kamera nach Möglichkeit, das Gesicht des Darstellers zu zeigen. Mehrfach wird der Mann auf seine Stiefel reduziert, als wollten die Autoren vermeiden, dass Bernhard Walter zuviel Ehre zuteil wird. Seine Fotografien allerdings sind für den Film unverzichtbar.