Mertes: "Bischofskonferenz sagt nicht die ganze Wahrheit"

Mertes: "Bischofskonferenz sagt nicht die ganze Wahrheit"
15.01.2020
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Der ehemalige Direktor des Berliner Canisius-Kollegs, Klaus Mertes, wirft der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vor, in der Debatte über mögliche Entschädigungszahlungen an Betroffene nicht "die ganze Wahrheit" zu sagen. Die Bischofskonferenz lasse bis heute Forderungen in sechsstelliger Höhe stehen, ohne sie zu kommentieren, sagte Mertes dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Das erfüllt mich mit tiefen Misstrauen."

Mertes hatte vor zehn Jahren in einem Brief Missbrauchsfälle durch zwei Jesuitenpatres am Canisius-Kolleg öffentlich gemacht und damit den Skandal in der katholischen Kirche ausgelöst. "Wir stehen ganz kurz vor einer tiefen und schweren neuen Enttäuschung der Opfervertreter", sagte er.

Auf der Herbst-Vollversammlung der Bischofskonferenz im vergangenen September hatten Betroffenenvertreter zwei Modelle für mögliche Entschädigungsleistungen vorgestellt. Ein Modell sieht eine pauschale Zahlung an jeden Betroffenen in Höhe von 300.000 Euro vor. Ein anderes Modell sieht individuelle Zahlungen zwischen 40.000 und 400.000 Euro im Einzelfall vor. Die Bischofskonferenz hat sich bislang nicht dazu geäußert, wie und in welcher Höhe sie Entschädigungen zahlen wird.

Er finde es problematisch, dass sich die Debatte so auf den finanziellen Aspekt der Anerkennung verenge, sagte Mertes. Geld sei ein Medium der Anerkennung, aber Geld alleine reiche nicht. Mindestens genauso wichtig sei Zeit und das Zulassen von Beziehung und Auseinandersetzung.

Der Jesuiten-Orden, dem Mertes angehört, hat die Frage von Anerkennungs- und Entschädigungsleistungen bereits geregelt. "Wir zahlen seit 2010 als Anerkennung den vielzitierten pauschalen Betrag von 5.000 Euro", sagte Mertes. Zusätzlich helfe man durch individuelle Leistungen wie Therapien, Rentennachzahlungen oder die Finanzierung von Ausbildungsgängen. Er finde es richtig, für erlittenes Leid eine pauschale Leistung als Anerkennung zu zahlen. Aber wenn es darum gehe, entstandenen Schaden zu entschädigen, soweit das durch Geld möglich sei, müsse es eine Gewichtung geben.