Innenminister sieht neue Dimension linksextremer Gewalt

Innenminister sieht neue Dimension linksextremer Gewalt
Staatsanwaltschaft hält an Ermittlungen wegen Mordversuchs fest
"Vorläufiger Höhepunkt der Gewalt": Nach der Attacke von Leipzig wird über aggressiven Linksextremismus debattiert - aber auch über die Strategie der Polizei in der Silvesternacht. Der schwerverletzte Polizist hat das Krankenhaus verlassen.

Leipzig (epd). Nach dem mutmaßlich linksextrem motivierten Angriff auf Polizisten zu Silvester in Leipzig hat Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) vor einer neuen Qualität der Bedrohung gewarnt. "Was wir in Leipzig-Connewitz erleben, ist ein vorläufiger Höhepunkt der Gewalt", erklärte er am Freitag in Leipzig nach einem Treffen mit an dem Einsatz beteiligten Beamten.

Man müsse zur Kenntnis nehmen, "dass diese Gewaltausbrüche nicht nur Sachen betreffen, sondern dass sie gezielt Menschenleben gefährden", erklärte Wöller: "Das ist eine neue Dimension." Angriffe auf Polizisten seien Angriffe auf den Rechtsstaat "und damit auch Angriffe auf uns und die friedliche, freiheitliche Gesellschaft", unterstrich der Minister.

Wöller verwies auch auf Brandanschläge auf mehrere Baukräne in Leipzig im Oktober und eine Attacke auf eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in deren Privatwohnung. Die Taten werden jeweils Linksextremisten zugeschrieben, die sich gegen Gentrifizierung in dem linksalternativen Stadtteil wehren.

"Wir haben es hier mit Straftätern zu tun aus dem linksextremistischen Bereich, die nicht davor zurückschrecken, auch unbeteiligte Menschenleben in Gefahr zu bringen", erklärte Wöller. Man werde weder in Sachsen noch in Leipzig rechts- und polizeifreie Räume dulden.

Unterstützung erhielt Wöller aus Berlin. Dort sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, es gebe einen "linksextremistischen Hotspot in Leipzig". In Sachsen habe die Zahl linksextremer Gewalttaten 2018 um 14 Prozent zugenommen, sagte er. Bundesweit war die Zahl dagegen rückläufig.

Sachsens Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar verteidigte die in den vergangenen Monaten verstärkte Polizeipräsenz in dem Leipziger Stadtteil und die Einsatzstrategie in der Silvesternacht. Präsenz zu zeigen, "ist genau das Richtige", erklärte er. Die Auseinandersetzung sei provoziert worden, erklärte Kretzschmar. Die Täter hätten "ganz gezielt, heimtückisch und hinterhältig den Angriff auf Polizeibeamte" gesucht.

SPD-Chefin Saskia Esken hatte zuvor eine Überprüfung des Polizeieinsatzes gefordert. Im Sinne der Polizisten müsse "schnell geklärt werden, ob die Einsatztaktik angemessen war", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag).

Die Leipziger Staatsanwaltschaft hält derweil am Tatvorwurf des versuchten Mordes fest. Sprecher Ricardo Schulz sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er werfe den Tätern vor, billigend in Kauf genommen zu haben, dass die Angegriffenen schwere Verletzungen erleiden.

Laut Schulz wurden gegen vier Tatverdächtige im Alter von 27 bis 32 Jahren Haftbefehle in Kraft gesetzt, gegen einen von ihnen im beschleunigten Verfahren. Den Männern wird Landfriedensbruch, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Die Ermittlungen wegen versuchten Mordes laufen gegen Unbekannt.

Rund 1.000 Menschen hatten am Connewitzer Kreuz Silvester gefeiert. Kurz nach Mitternacht wurden nach Polizeiangaben Beamte mit Steinen, Böllern und Flaschen beworfen, ein brennender Einkaufswagen sei in ihre Richtung geschoben worden. Als die Beamten eingreifen wollten, wurden drei von ihnen attackiert. Zwei von ihnen wurden leicht, ein dritter schwer am Ohr verletzt. Laut Kretzschmar konnte er das Krankenhaus am Freitag verlassen.

Die Leipziger Polizei ist derweil von ihrer Darstellung aus der Tatnacht abgerückt, der Schwerverletzte habe notoperiert werden müssen. Dies habe den Eindruck erweckt, es habe eine lebensgefährliche Verletzung vorgelegen, sagte Sprecher Andreas Loepki "MDR Aktuell". Die Polizei müsse sich den "Schuh anziehen, dass es sicherlich besser gewesen wäre, von einer operativen Maßnahme zu sprechen statt von Not-OP". Kretzschmar hatte zuvor auf die Frage nach den widersprüchlichen Informationen noch geantwortet: "Die Polizei wird nie Falschinformationen verbreiten."