Jesus, ich bin dein Vater

Josef als Vorbild für die Christenwelt
Frank Schmolke
In der Weihnachtsgeschichte erscheint Josef zunächst wie ein ausgetrickster Mann: ein Grübler und Zweifler, mit Sorgenfalten auf der Stirn. Aber es gibt eine erstaunliche Wendung ins Positive.
Jesus, ich bin dein Vater
Josef spielt eine wichtige Rolle - nicht nur für den Stammbaum Jesu
Die Vorstellung vom gehörnten Ehemann greift viel zu kurz. Welche Bedeutung Josef für seinen Sohn Jesus und als Vorbild für jeden einzelnen Christen hat, beschreibt der Theologe Eduard Kopp.

Ein Mann, der mit einer jungen Frau verlobt ist,muss eines Tages feststellen, dass sie schwanger ist. Aber das Kind ist nicht von ihm, denn die beiden haben noch nicht miteinander geschlafen. Man kann sich die Wut und Verzweiflung des Mannes vorstellen. Was will ein ehrlicher Typ wie dieser junge Zimmermann mit so einer Frau? Josef, so heißt der Mann, spielt seine Möglichkeiten durch. Er könnte die Frau anzeigen. Dann würde sie als Ehebrecherin gesteinigt werden, wie es das Gesetz damals vorsah. Mutter und Kind wären tot, die Ehre seiner Familie wiederhergestellt.

Aber so böswillig ist Josef nicht. Er überlegt sich eine andere Lösung. Er will die Frau unauffällig verlassen, ohne sie öffentlich bloßzustellen. Das geht in dieser Zeit so: Der Mann schreibt einen Scheidungsbrief, die Frau, in unserem Fall Maria, kehrt zu ihrer Familie zurück, bekommt das Kind, wird dann aber wohl nie mehr heiraten, weil sie als vermeintliche Ehebrecherin ihre Ehre verloren hat.

Ein Grübler und Zweifler zeigt Stärke

Die Erzählung spielt vor 2000 Jahren, sie steht am Anfang des Evangeliums nach Matthäus. Mit ihr beginnt die Weihnachtsgeschichte. Maria und Josef von Nazareth sind die Eltern von Jesus. In der Geschichte erscheint Josef zunächst wie ein ausgetrickster Mann: ein Grübler und Zweifler, oft dargestellt mit Sorgenfalten auf der Stirn. Aber es gibt eine erstaunliche Wendung ins Positive. Die Bibel beschreibt Josef als „fromm und gerecht“. Das lässt erahnen, dass sich die Dinge unerwartet entwickeln. Josef zeigt Stärke.

Ob Josef der leibliche Vater von Jesus ist, bleibt offen - ist aber auch nicht entscheidend.

Als sich Josef und Maria durch die unerwartete Schwangerschaft immer fremder werden, greift Gott ein. Er schickt Josef im Traum einen Engel, der ihm sagt: „Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist vom Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden“. Mit dem „Heiligen Geist“ ist nicht etwa ein eigenes Wesen gemeint, sondern Gottes Wirken unter den Menschen.

Der Traum König Davids wird wahr

Josef überzeugen die Worte des Engels und er bleibt bei Maria. Er nimmt sie zur Frau und kümmert sich liebevoll um sein besonderes Kind. Er ist nun kein Mann mehr, der sich von Gott und von Maria hintergangen fühlen muss. Im Gegenteil: Mit seiner Entscheidung übernimmt er eine wichtige Rolle für den Stammbaum von Jesus. Denn Josef ist ein Nachfahre des berühmten israelischen Königs David, der als großes Vorbild für Israels Kampf um Unabhängigkeit in die Geschichte einging.

Indem Josef den ungeborenen Jesus als seinen Sohn annimmt, reiht er Jesus in den königlichen Stammbaum ein. Ob Josef tatsächlich der leibliche Vater von Jesus ist, bleibt offen, ist aber auch nicht entscheidend. Im Judentum verleiht ausschließlich die gesetzliche Vaterschaft alle Erbrechte, nicht die biologische Herkunft. Das lässt sich mit einer Adoption vergleichen. Israel ist zur damaligen Zeit von den Römern besetzt und von Gewalt geprägt. Jesus soll erreichen, worauf die Menschen seit Jahrhunderten hoffen: Frieden schaffen und für gerechte Lebensverhältnisse sorgen. Das war schon der Traum von König David tausend Jahre zuvor. Nun soll er wahr werden.

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Die Erzählungen über die Abstammung von Jesus und seine merkwürdig körperlose Zeugung sind nicht allzu wörtlich zu nehmen. Wie an vielen anderen Stellen in der Bibel geht es hier nicht um eine genaue Beschreibung des Alltags, sondern um grundlegende Fragen: Wie entdecken Menschen Gott, wie lassen sie sich auf ihn ein? Und wie kam es, dass die Geburt Jesus so starke Hoffnungen weckte?

Im Lukasevangelium lobt Maria Gott in Erwartung ihres Sohnes Jesus: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Das ist die eigentliche Botschaft der Weihnachtsgeschichte:  Mit der Geburt von Jesus kündigen sich große Veränderungen an.  Josef jedenfalls geht in seiner Vaterrolle auf. Später wundert er sich gelegentlich darüber, dass Jesus schon als Jugendlicher über religiöse Fragen diskutiert und sogar lehrt. Die Familie von Maria und Josef wächst, das Paar bekommt vier weitere Söhne und eine unbekannte Zahl Töchter.

Der Text ist ursprünglich im "JS-Magazin - Die Evangelische Zeitschrift für junge Soldaten" erschienen (Ausgabe Dezember 2019)