Tempel-Streit in Indien: Gericht entscheidet zugunsten von Hindus

Tempel-Streit in Indien: Gericht entscheidet zugunsten von Hindus
Brisante Gerichtsentscheidung in Indien: Hindus dürfen einen Tempel auf einem Stück Land errichten, das auch Muslime beanspruchen. Die Anfänge des Streites reichen bis in das Jahr 1528.

Dubai, Neu-Delhi (epd). In Indien hat das Oberste Gericht am Samstag grünes Licht für den Bau eines Hindu-Tempels auf einem seit 500 Jahren zwischen Muslimen und Hindus umstrittenen Stück Land in der heiligen Stadt Ayodhya gegeben. Wie der TV-Sender "News 18" berichtete, wird das gesamte Grundstück den Hindus zugeschlagen. Die muslimische Seite erhält als Ausgleich ein Stück Land an einer anderen Stelle. Das Gericht beendete damit eine der längsten Rechtsstreitigkeiten in der Geschichte Indiens.

Nach der historischen Entscheidung rief Indiens Regierungschef Narendra Modi das Land zu Einheit auf. Modi verglich die Entscheidung mit dem Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren, der das Ende des Kalten Krieges markiert hatte, wie die Zeitung "Indian Express" am Wochenende berichtete. Muslimische Repräsentanten erklärten, sie akzeptierten das Urteil.

Um religiöse Ausschreitungen zu verhindern, mobilisierte die Regierung dennoch Tausende zusätzliche Sicherheitskräfte im ganzen Land. Hunderte Menschen wurden vorsorglich in Polizeigewahrsam genommen. Bei dem Tempel-Disput sind in der Vergangenheit bereits über 2.000 Menschen ums Leben gekommen.

Der Richterspruch ist ein Triumph für Regierungschef Modi, dessen hindunationalistische Bharatiya Janata Partei (BJP) mit dem Wahlversprechen angetreten ist, einen Ram-Tempel in Ayodhya zu errichten. Ram ist dem Glauben nach eine Inkarnation des Hindu-Gottes Vishnu.

Der Streitfall hat seit mindestens 164 Jahren Gerichte in Indien beschäftigt. Er drehte sich um die Frage, wem das 11.210 Quadratmeter große Stück Land in Ayodhya gehört, das von Hindus und Muslimen gleichermaßen beansprucht wird. Bis Dezember 1992 stand an dem Platz die Babri-Moschee aus dem 16. Jahrhundert, die von radikalen Hindus demoliert wurde, die dort einen Tempel für den Hindu-Gott Ram bauen wollten, der genau an dieser Stelle geboren sein soll.

Die Zerstörung der Moschee führte zu den schwersten religiösen Ausschreitungen in Indien seit der Unabhängigkeit 1947. Bei den tagelangen blutigen Verfolgungen von Hindus und Muslimen starben über 2.000 Menschen. Das Grundstück, auf dem die Moschee stand, ist seit einem Vierteljahrhundert abgesperrt und streng bewacht. Die Richter entschieden nun, dass ein Verein gegründet werde solle, um dort einen Tempel zu bauen.

Bei der Lösung des erbitterten Religionsstreits stützten sich die Richter auf archäologische Funde und historische Berichte aus Ayodhya. Die nun zerstörte Babri-Moschee sei auf einem alten Fundament errichtet worden, das nicht islamisch sei, befanden die Richter. Vor fast 500 Jahren, im Jahr 1528, soll Mir Baqi, der General der Mughal-Kaisers Babur, den dortigen Ram-Tempel zerstört haben, um die Moschee zu bauen. Lange Zeit beteten Muslime in der Moschee, während Hindus außerhalb der Moschee weiter Ram verehrten.

Etwa 80 Prozent der rund 1,3 Milliarden Inder sind Hindus. Die zweitgrößte Religionsgruppe sind die Muslime mit etwa 170 Millionen Gläubigen.