Fall Högel: Warten auf den Bundesgerichtshof

Fall Högel: Warten auf den Bundesgerichtshof

Oldenburg (epd). Ein Jahr nach dem Prozessauftakt gegen den früheren Krankenpfleger Niels Högel ist das Urteil gegen den Patientenmörder noch immer nicht rechtskräftig. Der bundesweit beobachtete Prozess begann am 30. Oktober 2018 und endete am 6. Juni 2019 mit dem Urteil zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Nach Überzeugung des Oldenburger Landgerichts hat Högel aus Geltungssucht 85 Menschen mit Medikamenten vergiftet und anschließend vergeblich versucht, sie zu reanimieren. Gegen den Schuldspruch legten Högel und ein Angehöriger, der den Prozess als Nebenkläger verfolgte, Revision ein. (AZ: 5 Ks 800 Js 54254/17 (1/18))

Die Revisionsanträge und deren Begründungen seien fristgerecht beim Landgericht eingegangen und an den Bundesgerichtshof weitergeleitet worden, sagte die Sprecherin des Landgerichts, Richterin Melanie Bitter, am Mittwoch auf Nachfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd). Da mehrere Instanzen das 149 Seiten starke Urteil lesen und prüfen müssten, sei mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshof in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.

Högel hat dem vorläufigen Urteil zufolge zwischen 2000 und 2005 in Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst mindestens 85 Patienten ermordet. In weiteren 15 Fällen wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Weil er wegen sechs weiterer Taten bereits eine lebenslange Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg verbüßt, bleibt er trotz des juristischen Schwebezustandes hinter Gittern.

Inzwischen sind zwei weitere Fälle bekanntgeworden, die an den Fall Högel erinnern. Im saarländischen Völklingen wird gegen einen Krankenpfleger ermittelt. Er steht im Verdacht, mindestens fünf Patienten getötet zu haben. Außerdem werden ihm zwei Mordversuche zur Last gelegt. Er soll wie Högel seinen Patienten tödliche Medikamente gespritzt haben, um sie wiederbeleben zu können. In Bremen muss sich seit Dienstag ein Pflegehelfer vor dem Landgericht verantworten. Er soll zwei Bewohnerinnen eines diakonischen Pflegeheims ohne medizinische Notwendigkeit Insulin gespritzt haben. Eine 75-Jährige kam dadurch in Lebensgefahr. Auch er soll laut Anklage die Frauen in Gefahr gebracht haben, um sie anschließend zu retten und so Anerkennung zu ernten.

Bereits Ende September hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg fünf ehemalige Vorgesetzte Högels angeklagt. Den Beschäftigten des Klinikums Oldenburg wird Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen. Trotz deutlicher Hinweise hätten sie Högel bei den Morden an Patienten nicht gestoppt. Allerdings kann der Prozess gegen sie erst eröffnet werden, nachdem das Urteil gegen Högel rechtskräftig ist. Ohne das rechtskräftige Urteil wäre Högel als Zeuge gegen seine Vorgesetzten wertlos. Er könnte seine Aussage verweigern, um sich nicht selbst weiter zu belasten. Mit einem Urteil steht ihm dieses Recht nicht zu.