Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann eröffnet

Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann eröffnet

Hamburg (epd). Vor dem Hamburger Landgericht hat am Donnerstag die Hauptverhandlung gegen den ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. begonnen. Der Angeklagte erschien im Rollstuhl und in Begleitung seiner Tochter und seines Verteidigers vor Gericht, machte zunächst jedoch keine Aussage. Sein Verteidiger kündigte an, dass D. in der kommenden Woche Fragen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts beantworten werde. Im Gerichtssaal anwesend waren neben den Prozessbeteiligten nur akkreditierte Personen, darunter mehrere Journalisten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 93-Jährigen Beihilfe zum Mord in mehr als 5.230 Fällen vor. Bruno D. soll zwischen August 1944 und April 1945 im Konzentrationslager Stutthof (bei Danzig) die Tötung jüdischer Häftlinge "durch bewusste Herbeiführung und Aufrechterhaltung lebensfeindlicher Bedingungen wie Nahrungsentzug und Verweigerung medizinischer Versorgung" unterstützt haben.

Zu den Aufgaben des zur Tatzeit 17- und 18-jährigen Angeschuldigten habe es im Rahmen des Wachdienstes gehört, die Flucht, Revolte und Befreiung von Häftlingen zu verhindern. In Stutthof wurden schätzungsweise 65.000 Menschen umgebracht. Zu den Tötungsmethoden gehörten gezielter Genickschuss, Vergasung mit dem Gift "Zyklon B" und die Aufrechterhaltung lebensfeindlicher Bedingungen. Über all dies sei der Angeklagte ohne Zweifel informiert gewesen, heißt es in der Anklage.

Bruno D. hatte in Befragungen durch Polizei und Staatanwaltschaft seine Tätigkeit als SS-Wachmann zugegeben. Sein Mandant stehe zu all diesen Angaben, sagte sein Verteidiger Stefan Waterkamp. In einer verlesenen Erklärung warf er der deutschen Justiz jedoch eine "Verfahrensverzögerung von mindestens 60 Jahren" vor. Sein Mandant habe bereits 1975 in einem Sammelverfahren und 1982 in einer Vernehmung als Zeuge umfangreiche Aussagen zu seiner Tätigkeit im KZ Stutthof gemacht, sagte der Anwalt. Zu einem Ermittlungsverfahren sei es nicht gekommen.

Einziger Grund, dass D. nun vor Gericht stehe, sei eine Änderung der Rechtssprechung. Nun müsse sich sein Mandant im hohen Alter für Straftaten in der Jugend verantworten. Eine Schuld sehe er bei sich nicht, weil er aktiv niemanden umgebracht habe. Erst seit der Verurteilung des KZ-Helfers John Demjanjuk 2011 gerieten auch KZ-Helfer ins Visier der Justiz, denen keine individuellen Verbrechen nachgewiesen werden konnten. In Deutschland laufen nach Recherchen des "Norddeutschen Rundfunks" noch 29 Strafverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher.

epd lnh/hei fu