TV-Tipp: "Der Irland-Krimi: Die Toten von Glenmoore Abbey"

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TV-Tipp: "Der Irland-Krimi: Die Toten von Glenmoore Abbey"
24.10., ARD, 20.15 Uhr
Selbst wenn die Handlung in Irland spielt: Der Titel klingt nach klassischem britischem Krimi mit düsteren Klostermauern und wallendem Nebel auf einem Friedhof.

Auch der Auftakt passt dazu: Im Garten des Klosters der westirischen Hafenstadt Galway werden neun Säuglingsskelette gefunden. Glenmoore Abbey war einst eine sogenannte Magdalenenwäscherei, eine Art Heim für "gefallene Mädchen": Hier brachten Prostituierte und andere ungewollt schwangere Frauen ihre Kinder zur Welt, die dann zur Adoption freigegeben wurden. Die Heime genossen einen höchst zweifelhaften Ruf, die Frauen hatten von den Klosterleitungen keinerlei Mitgefühl zu erwarten. Das galt anscheinend auch für die Kinder: Die Babys aus dem Klostergarten sind offenbar von einer Grippe dahingerafft worden. Zum Krimi wird die Geschichte, weil sich zwischen den Kinderknochen auch das Skelett eines Erwachsenen befindet. Als sie den Ring des Mannes sieht, weiß Cathrin Blake sofort, dass sie nach zehn Jahren Ungewissheit endlich Abschied von ihrem Gatten nehmen kann.

Désirée Nosbusch hat im letzten Jahr mit der vielfach preisgekrönten Serie "Bad Banks" ein eindrucksvolles Comeback gefeiert und ist eine ausgezeichneten Besetzung für die Rolle der deutschstämmigen Polizeipsychologin, an deren Schicksal der ganze Ort Anteil genommen hat: Nach dem spurlosen Verschwinden von Ehemann Liam, einem Polizisten, ist Cathrin Alkoholikerin geworden; die Nachwirkungen dieser Zeit des Absturzes prägen auch heute noch das Verhältnis zu Paul (Rafael Gareisen), ihrem erwachsenen Sohn, der wie sein Vater Polizist geworden ist. Mittlerweile ist Catrhin wieder trocken und in den Beruf zurückgekehrt, wenn auch nicht zur Polizei, zumal Revierleiter Kelly (Declan Conlon) ihr aus dem Weg zu gehen scheint.

Warum das so ist, verrät das Drehbuch (Christian Schiller, Marianne Wendt) erst später, als der vermeintlich private Erzählstrang mit der kriminalistischen Ebene verknüpft wird: Bei der Leiche fand sich ein Schlüssel für ein Schließfach. Aus den darin enthaltenen Unterlagen geht hervor, dass auch Liam ein "Magdalenenkind" war; Cathrin glaubt, sein Tod hänge mit der Suche nach seiner Mutter zusammen. Trotz des furchtbaren Rufs der Einrichtung ist Äbtissin Anna (Tatja Seibt) überzeugt, ihr Haus habe die Kinder "vor Hölle und Verdammnis gerettet".

Auf einer zweiten Ebene erzählt der Film vom vergeblichen Kampf der Polizei gegen eine Bande von Drogenhändlern. Jedes Mal, wenn die Beamten einen Tipp bekommen, haben die Gangster rechtzeitig alle Spuren beseitigt. Es muss einen Maulwurf geben, und Polizeichef Kelly war überzeugt, Liam sei der Spitzel gewesen. Als Cathrin rausfindet, wie Liams Adoptionsschicksal und die Jagd auf die Dealer miteinander zusammenhangen, gerät sie prompt selbst in Lebensgefahr.

Ähnlich interessant wie die Geschichte ist die Umsetzung durch Züli Aladag. Der Regisseur hat zuletzt einige bemerkenswerte Fernsehfilme gedreht. Ebenso bedrückend wie beeindruckend waren zum Beispiel sein Beitrag zur "NSU"-Trilogie "Mitten in Deutschland" (2016) über die Opfer der Mordserie oder das Drama "Brüder" (2017) über die Islamisierung und Radikalisierung eines deutschen Studenten, der für den "IS" in den Krieg zieht. Bei seiner Inszenierung der beiden "Irland-Krimis" – den zweiten Film zeigt die ARD kommenden Donnerstag – hat er sich gemeinsam mit Kameramann Roland Stuprich offenbar an der schnörkellosen Art der BBC-Krimis orientiert. Die Bildgestaltung ist betont nüchtern, die Atmosphäre kühl, die Außenaufnahmen sind gern in Grau gehalten, was natürlich zur freudlosen Handlung passt; immerhin verströmen die Innenaufnahmen mitunter eine gewisse Heimeligkeit. Ein besonderes ästhetisches Stilmittel ist der Umgang mit der Schärfe: In bestimmten Einstellungen hat Stuprich dafür gesorgt, dass große Teile des Bildes unscharf sind, sodass der Blick automatisch auf ein bestimmtes Detail im Zentrum oder am Rande fokussiert wird; diese Szenen sind auch durch eine besondere Farbgebung geprägt. Die Vorgeschichte wird durch geschickt integrierte Rückblenden vermittelt.

Ebenfalls sehr gelungen ist die akustische Ebene, und das nicht nur wegen der guten Thrillermusik von Sebastian Fillenberg. Die Kombination deutscher und einheimischer Schauspieler sorgt bei den Auslandsproduktionen der ARD-Tochter Degeto oft für Irritationen, weil Synchronsprecher einen speziellen Sprachhabitus pflegen, der im Kontrast zu den deutschen Schauspielern negativ auffällt. In diesem Fall passt jedoch beides: Die Iren sind sehr gut ausgewählt, und akustisch ist fast kein Unterschied zu hören; die Sprecherinnen und Sprecher werden sogar im Abspann genannt, was bei TV-Produktionen so gut wie nie der Fall ist.

Eine weitere Besonderheit ist das Alter der Hauptfigur: Für Schauspielerinnen ab fünfzig werden Hauptrollen in Fernsehfilmen immer rarer. Theoretisch hätte sich diese Geschichte auch mit einer jüngeren Protagonistin erzählen lassen; umso besser, dass sich die ARD-Tochter Degeto für eine Frau mit viel Lebenserfahrung entschieden hat (was natürlich auch für die Darstellerin gilt). Schade nur, dass Mercedes Müller als unerfahrene Polizistin praktisch nichts zu tun hat. Irlandfreunde wiederum werden bedauern, dass es nicht noch mehr Aufnahmen der eindrucksvollen Landschaft gibt.