Hohe Hürden für Hartz-IV-Rückzahlung wegen sozialwidrigem Verhalten

Hohe Hürden für Hartz-IV-Rückzahlung wegen sozialwidrigem Verhalten

Kassel (epd). Der Verlust des Ausbildungsplatzes wegen 800 unentschuldigter Fehlstunden ist kein "sozialwidriges Verhalten". Das Jobcenter darf daher von dem gekündigten Azubi gezahlte Hartz-IV-Leistungen nicht zurückfordern, urteilte das Bundessozialgericht am Donnerstag in Kassel (AZ: B 14 AS 49/18 R). Kündigt ein in Polen lebendes Paar seine Arbeitsstellen, um in Deutschland leben zu können, stellt dies nach einem weiteren BSG-Urteil ebenfalls kein "sozialwidriges Verhalten" dar (B 14 AS 50/18 R).

Im ersten Fall hatte 2014 der damals 24-jährige Kläger eine öffentlich geförderte außerbetriebliche Berufsausbildung zum Fachlageristen begonnen. Doch nach einem halben Jahr fehlte er mehrfach. Nach Angaben des Jobcenters hatte der junge Mann rund 800 unentschuldigte Fehlstunden angesammelt. Gespräche mit dem Ausbilder und eine Abmahnung fruchteten nicht, so dass der 24-Jährige gekündigt wurde.

Er erhielt daraufhin vorübergehend Hartz-IV-Leistungen. Das Jobcenter Herne forderte diese jedoch wieder wegen sozialwidrigen Verhaltens zurück, insgesamt rund 3.000 Euro. Er habe seine Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt.

Im zweiten Fall sollte eine aus Polen stammende Familie mit zwei Kindern sogar 32.000 Euro an Hartz-IV-Leistungen zurückzahlen. Als die Frau und die Kinder Deutsche wurden, kündigten sie und ihr Mann in Polen ihre Arbeitsstelle. Die Familie zog nach Deutschland und war auf Hartz IV angewiesen. Diese Kündigungen seien sozialwidrig, entschied das Jobcenter in Bottrop. Die Hilfebedürftigkeit sei damit herbeigeführt worden.

Doch das BSG betonte in beiden Fällen, dass für das Vorliegen eines "sozialwidrigen Verhaltens", das eine Rückforderung gezahlter Hartz-IV-Leistungen begründen könne, hohe Hürden bestehen. Zwar habe im ersten Fall der Kläger häufig unentschuldigt gefehlt. Daraus lasse sich aber nicht folgern, dass er dies getan habe, um Hartz-IV-Leistungen beanspruchen zu können.

Auch im zweiten Fall urteilten die obersten Sozialrichter, dass die aus Polen stammende Familie die erhaltenen Hartz-IV-Leistungen in Höhe von 32.000 Euro nicht wegen "sozialwidrigem Verhalten" zurückzahlen muss. Es stelle keine "missbilligende Verhaltensweise" dar, wenn eine Person nach Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit ihre im Ausland ausgeübte Beschäftigung aufgibt und mit ihren Kindern und ihrem Mann nach Deutschland zieht, "ohne sich zuvor um eine Existenzgrundlage" bemüht zu haben.