Demonstrationen gegen Heß-Gedenken in Berlin

Demonstrationen gegen Heß-Gedenken in Berlin
Bischof Dröge warnt vor Umdeutung der deutschen Geschichte
Seit Jahren nutzen Neonazis den 17. August für Kundgebungen in Berlin. In diesem Jahr wurden zwar keine rechtsextremen Veranstaltungen angemeldet. Dennoch gingen Gegendemonstranten auf die Straße.

Berlin (epd). Bei mehreren Kundgebungen haben Demonstranten am Wochenende in Berlin gegen Rechtsextremismus und Verherrlichung des Nationalsozialismus protestiert. Anlass waren befürchtete Gedenkveranstaltungen von Neonazis zu Ehren des Kriegsverbrechers und ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Diese blieben in diesem Jahr allerdings aus, wie die Berliner Polizei am Sonntag auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Heß hatte sich am 17. August 1987 im Gefängnis Berlin-Spandau das Leben genommen. Das Datum wird seit Jahren von Neonazis genutzt, um Kundgebungen abzuhalten.

Auf dem Berliner Alexanderplatz versammelten sich rund 150 Menschen zu einer Kundgebung des Bündnisses für ein weltoffenes und tolerantes Berlin. An den Bahnhöfen in Lichtenberg und Spandau fanden ebenfalls Kundgebungen mit jeweils etwa 50 Menschen statt. Insgesamt waren mehr als 20 Veranstaltungen von Nazi-Gegnern in verschiedenen Stadtteilen angemeldet worden. Ziel war offenbar, potenzielle Plätze und Strecken zu belegen, die in der Vergangenheit von Neonazis für ein Heß-Gedenken genutzt wurden. Viele dieser Gegenkundgebungen wurden aber abgesagt, da keine rechtsextreme Veranstaltung angemeldet wurde, wie die Polizei weiter mitteilte.

Die Demonstration an der Weltzeituhr stand unter dem Motto "Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen - für Gegenwart und Zukunft". Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge warnte in einer Rede vor einer Umdeutung der deutschen Geschichte durch Rechtsextremisten und Rechtspopulisten. "Wer nicht verantwortlich mit der Vergangenheit umgeht, der kann auch nicht verantwortungsvoll die Zukunft gestalten", sagte er.

Als Beispiele für eine "Verdrehung der historischen Wahrheit um 180 Grad" durch Rechtspopulisten verwies Dröge unter anderem auf wiederholte Störungen durch Besuchergruppen in Gedenkstätten für NS-Opfer, eingeladen von AfD-Funktionären, und die Instrumentalisierung der friedlichen Revolution in der DDR, indem Rechtspopulisten sich heute mit den Bürgerrechtlern von damals verglichen. Weitere Redner warnten vor einer Verharmlosung der NS-Zeit und des Rechtsextremismus.

Das Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin wird von zahlreichen Organisationen getragen. Darunter sind der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Landessportbund Berlin, die beiden großen Kirchen, das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus Berlin und der Zentralrat der Muslime.