Suizid-Prävention: Gefährdete Personen direkt ansprechen

Den Blick auf mögliche Suizide wachsam halten
© Peter Berglund/iStockphoto/Getty Images
Zur Suizidprävention soll man wachsam seinen Mitmenschen in schwierigen Situationen im Blick behalten und ihnen Hilfe anbieten.
Suizid-Prävention: Gefährdete Personen direkt ansprechen
Die Kölner Psychiatrie-Professorin Barbara Schneider hat die Gesellschaft und jeden einzelnen dazu aufgefordert, im Blick auf mögliche Suizide wachsamer zu sein. "Das allerwichtigste ist, nicht wegzuschauen, wenn Menschen in schwierigen Situationen sind, und ihnen Hilfe anzubieten", sagte die Expertin für Suizidprävention dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei sogar richtig, jemanden im Verdachtsfall direkt auf einen möglichen Suizid-Wunsch hin anzusprechen, betonte die Leiterin des nationalen Suizidpräventionsprogramms: "Die meisten Betroffenen sind froh, wenn sie darüber sprechen können."

Schneider äußerte sich aus Anlass der "Woche für das Leben" der beiden großen Kirchen in Deutschland, die am Samstag in Hannover eröffnet wird. Jährlich nehmen sich nach Angaben der deutschen Gesellschaft für Suizidprävention in Deutschland rund 10.000 Menschen das Leben. Schätzungen zufolge gibt es rund 100.000 Suizidversuche. Seit Mitte der 1970er Jahre ist die Zahl der Suizide von damals fast 20.000 pro Jahr kontinuierlich zurückgegangen. Seit 2008 schwankt sie um die 10.000. 

Schneider forderte vor allem mehr Aufmerksamkeit für ältere Menschen und für Männer. In beiden Gruppen würden überproportional viele Suizide begangen. Männer hätten schlechtere soziale Netze als Frauen, kämen schlechter mit dem Verlust eigener Fähigkeiten im Alter zurecht und suchten sich seltener Hilfe. "Sie lösen ihre Probleme lieber selbst heldenhaft mit einer konkreten Tat." Das sei aber in einer suizidalen Krise kaum möglich. Ältere Menschen lebten immer öfter allein und hätten keine Kinder. Die Hilfsangebote unterschieden nicht ausreichend zwischen jungen und hochbetagten Senioren, die aber ganz unterschiedliche Bedürfnisse hätten, bedauerte die Professorin für Psychiatrie und Psychotherapie.

Darüber hinaus mahnte sie ein flächendeckendes niedrigschwelliges Angebot von Krisendiensten an. Derzeit existierten zwar neben der Telefonseelsorge und Online-Angeboten vielerorts Teams zur Krisenintervention. Für viele Betroffene und Angehörige sei es aber schwierig, sich rasch eine Übersicht zu verschaffen, wer in welcher Stadt was anbiete. Ein Team von Wissenschaftlern unter ihrer Leitung untersuche derzeit im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums, wo es weiteren Nachholbedarf bei der Prävention gebe, sagte Schneider. In der Statistik sei zum Beispiel auffällig, dass eine Häufung von Suiziden auch bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund vorkomme.


Die "Woche für das Leben" widmet sich vom 4. bis zum 11. Mai der Frage, wie Suizide verhindert werden können. Unter dem Titel "Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern." stellt sie die Beratungsangebote der beiden Kirchen für suizidgefährdete Menschen und ihre Angehörigen in den Mittelpunkt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gestalten zur Eröffnung am Samstag einen ökumenischen Gottesdienst in der evangelischen Marktkirche in Hannover. Bei einem anschließenden "Fest der Begegnung" vor der Kirche spricht unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).