TV-Tipp: "Lotta & der schöne Schein" (ZDF)

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TV-Tipp: "Lotta & der schöne Schein" (ZDF)
18.4., ZDF, 20.15 Uhr: "Lotta & der schöne Schein"
Natürlich ist die Reihe "Lotta &…" keine Langzeitstudie, schließlich erzählen die Filme erfundene Geschichten; aber einen ähnlichen Effekt haben sie durchaus. Seit fast zehn Jahren verfolgt die ursprünglich auf dem Buch "Die letzten Dinge"von Annegret Held basierende Saga nun schon den Lebensweg einer immer noch jungen Frau aus der Provinz, die einst als Praktikantin in einem Altenheim ("Lotta & die alten Eisen") ihre Bestimmung gefunden hat: den Menschen helfen und Leben retten. Also hat Lotta Brinkhammer in Berlin Medizin studiert und sich auch durch eine unvorhergesehene Schwangerschaft nicht von ihrem Weg abbringen lassen.

Mittlerweile ist die von Josefine Preuß immer noch so erfrischend wie am ersten Tag verkörperte junge Mutter im Leben angekommen und angestellte Ärztin in einer Praxis. Schon die ersten sechs Filme lebten nicht zuletzt von dem perfekten Identifikationsangebot, das die Hauptdarstellerin dank ihrer Natürlichkeit verkörpert, zumal sich Lottas Nöte stets gut nachvollziehen ließen. Im siebten Teil, "Lotta & der schöne Schein", sieht sich die Titelheldin mit einer Herausforderung konfrontiert, die viele berufstätige Mütter sehr gut kennen. Sie hat ohnehin ständig Ärger mit ihrer sarkastischen Chefin (Kirsten Block) – "Brinkhammer! Sie hier?!" –, weil sie wegen Tochter Lilo regelmäßig zu spät kommt. Auf der Suche nach einer beruflichen Alternative ergattert sie eine Probewoche als Dozentin, aber jetzt muss sie nicht nur Kind und Beruf, sondern auch die Vorlesungen an der Uni arrangieren; kein Wunder, dass sie zunehmend dünnhäutig reagiert. Prompt kriegt sie Krach mit ihrer unzuverlässigen Mitbewohnerin (Carol Schuler), und als sich dann auch noch unangekündigt Vater Meinolf (Frank Röth) und Bruder Sebastian (Bernhard Piesk) für ein paar Tage einnisten, weil Sebastian in einer Ehekrise steckt, weiß Lotta kaum noch, wo ihr der Kopf steht; "Lotta hat Stress" wäre als Zusammenfassung eine fahrlässige Untertreibung. Ein Stoßseufzer bringt es auf den Punkt: Zwischen ihren Rollen als Mutter, Schwester, Tochter, Angestellte, Dozentin und Freundin ist überhaupt kein Platz mehr für sie selbst.

Erstaunlicherweise gelingt es Birgit Maiwald (ihr erstes Drehbuch für die Reihe basiert auf einer Idee von Anika Soisson und Markus Staender), trotzdem einen leichten Tonfall zu behalten, ohne leichtfertig mit den durchaus relevanten Themen umzugehen: Lilo, bislang vorbildliche Schülerin, lässt in ihren Leistungen dramatisch nach. Ihre Lehrerin vermutet als Ursache ADHS, was Lotta auf die Palme bringt, weil ihr das allzu modisch vorkommt. An der Uni wird sie mit einer völlig neuen Studentengeneration konfrontiert, die eine digitale Präsentation erwartet und verlernt hat, sich Notizen mit Stift und Papier zu machen. Und dann wird ihr Bruder noch aus der Bahn geworfen, als er womöglich sein homosexuelles Coming out erlebt. Den einzigen Lichtblick der Geschichte erlebt ihr Vater, der sich gemeinsam mit Heilpraktikerin Maren (Catherine Flemming) aus der Nachbarschaft an seinem zweiten Frühling erfreut und seine innere Mitte gefunden hat; prompt haben sich auch seine Schlafprobleme erledigt.

Die Kunst des Drehbuchs besteht darin, all’ diese verschiedenen Facetten in einen überzeugenden Handlungsfluss zu betten; der Film wirkt nicht überfrachtet. Abgesehen von Meinolfs nächtlichen Ausflügen über den Hinterhof sind die Themen überwiegend potenziell dramatisch. Trotzdem bleibt "Lotta & der schöne Schein" eine Komödie, was natürlich auch mit der Inszenierung durch Christina Schiewe zu tun hat; die Regisseurin hat unter anderem für Sat.1 die amüsante Komödie "Die HochzeitsVerplaner" (2017) gedreht und feiert ebenfalls ihr "Lotta"-Debüt. Die Anmutung des Films ist dank der warmen Farben hell und freundlich (Kamera: Julia Baumann), und gelegentliche heitere Einschübe mit Lottas zum Teil neurotischen Patienten und deren Wehwehchen sorgen für Auflockerung. Das gilt nicht minder auch für die gefällige muntere Musik von Ali N. Askin, die auch dann für Stimmung sorgt, wenn gerade mal nichts passiert, was allerdings nur höchstselten vorkommt.

Optisch und akustisch ist der Film also eine luftig-leichte Berlin-Komödie, aber dennoch mehr als bloß Zeitvertreibfernsehen, weil die Probleme durchaus seriös behandelt werden. Das gilt auch für das sogenannte Gehirndoping, und da Lotta die entsprechenden Ausführungen in ihre Vorlesung einbaut, kann sie die Botschaft explizit formulieren, ohne sie wie einen aufgesagten Appell klingen zu lassen: Jeder fünfte Student, erklärt sie den angehenden Medizinerinnen und Medizinern, nimmt regelmäßig leistungssteigernde Mittel, um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Geschickt zeigt Maiwald, welche Folgen der Konsum haben kann: Ausgerechnet Magda (Camille Dombrowsky), die Tochter von Lottas Chefin, putscht sich regelmäßig mit einem Medikament auf, um die hohen Erwartungen ihrer Mutter zu erfüllen, und hat im Hörsaal einen Kreislaufkollaps. Dem rundum positiven Gesamteindruck entsprechen auch die Schauspieler, was bei den alten Hasen nicht weiter überrascht, aber die jungen Mitwirkenden hinterlassen ebenfalls einen ausgezeichneten Eindruck; das gilt auch für Dennis Moyen als heimlich in Magda verliebten Kommilitonen und nicht zuletzt für die junge Sophia Louisa Schillner als Lottas kecke Tochter.