"Die Kinder haben besonderen Druck"

Das Kinder- und Jugendtelefon hilft bei Sorgen in der Schule weiter.
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Zeugnisszeit ist Sorgenzeit, sowohl bei Kindern als auch bei vielen Eltern. Das Kinder- und Jugendtelefon hilft weiter.
"Die Kinder haben besonderen Druck"
Drei Fragen an Telefonseelsorgerin Petra Lorenz zur Zeugnisangst
Am 30. Januar erhalten Hunderttausende von Schülerinnen und Schülern in Niedersachsen und Bremen ihre Halbjahreszeugnisse. Bei Koordinatorin Petra Lorenz und ihren Kolleginnen und Kollegen vom Kinder- und Jugendtelefon in Hannover häufen sich jedes Jahr rund um diesen Termin die Anfragen zu Zensuren und der Angst davor, nach Hause zu gehen. Wenn es heißt "Versetzung gefährdet" oder "schlechte Noten", ist Fingerspitzengefühl bei den Helfern und vor allem auch bei den Eltern gefragt, sagt die Expertin.
30.01.2019
epd
Björn Schlüter

Mit welchen Zeugnisproblemen melden sich Kinder und Jugendliche konkret bei der Seelsorge?

Petra Lorenz: Viele wissen natürlich jetzt schon, ob das Halbjahr mit Freude oder Angst zu Ende geht. Und manche wissen leider auch bereits, dass ihnen wegen ihres Zeugnisses Ärger oder Gewalt vonseiten der Eltern droht. Die Schüler, die bei uns anrufen, haben natürlich stets einen besonderen Druck. Teilweise ist bei ihnen Gewalt in der Erziehung generell ein Thema. Oft plagt Schüler auch, dass sie Erwartungen nicht erfüllt haben. Das gilt übrigens nicht nur für die mit den wirklich schlechten Noten. Gerade in oberen Schichten gilt teils alles außer sehr, sehr guten Noten als Versagen und bedeutet Ärger.

Wie können die Seelsorger den Schülerinnen und Schülern aus ihrer Angst helfen?

Petra Lorenz: Wenn sich die Kinder vor der Reaktion der Eltern fürchten, versuchen wir, mit ihnen gemeinsam andere Erwachsene zu finden, die als Vermittler helfen können. So können beispielsweise Vertrauenslehrer, Großeltern, Nachbarn oder der Patenonkel gemeinsam mit den Schülern den Eltern vom Zeugnis berichten. Wir ermutigen auch Anrufer, sich ihrem Klassenlehrer zu offenbaren und ihm zu erklären, dass sie Angst haben, nach Hause zu gehen. Problematisch ist oft, dass die Kinder und Jugendlichen im regulären Schulalltag keine Ansprechpartner mehr haben, wenn sie nach Hause kommen. Wir stellen immer wieder fest, dass die schlechten Zensuren lange vor den Eltern verborgen bleiben, weil Eltern und Kinder nicht miteinander reden. Dann ist das Zeugnis natürlich ein Schock für manche Eltern.

Und wie sollten sich Eltern verhalten, wenn das schlechte Zeugnis auf dem Tisch liegt?

Petra Lorenz: Im Grunde sollten sie schon lange vorher aufmerksam sein, ob die Schülerinnen und Schüler bedrückt wirken oder auffallend still sind. Und wenn dann die schlechten Zensuren da sind, gilt: Lieber erst einmal tief durchatmen! Enttäuschung oder gar Groll über Schulprobleme sollten niemals den Blick auf die Tochter oder den Sohn verstellen. Die freien Tage nach der Zeugnisausgabe sind ideal, um sie für gemeinsame positive Erlebnisse zu nutzen und in Ruhe zusammen nach Lösungen zu suchen.