"Von alten Jungfern und Junggesellen" - Tagung zu Singles in der Kirche

Singles in der Kirche
Foto: pixabay/Free-Photos
(Symbolbild)
"Von alten Jungfern und Junggesellen" - Tagung zu Singles in der Kirche
Wie lebt es sich als Single in der Kirche? Dieser Frage ist ein Expertenhearing in Hannover nachgegangen. Eingeladen hat dazu das Evangelische Zentrum Frauen und Männer. Dabei sollten nicht nur Erkenntnislücken geschlossen, sondern auch konkrete Schritte erörtert werden, wie Alleinstehende besser in die Kirche integriert werden können. Eske Wollrad, Geschäftsführerin des Evangelischen Zentrums Frauen und Männer erklärt, worum es bei dem Hearing geht.

In Deutschland leben aktuell mehr als 18 Millionen Singles, also Menschen ohne feste Partnerschaft. In Ihrer Einladung zum Hearing mit dem Titel "Alte Jungfer - Junggeselle? Single-Sein in Theologie, Kirche und Gesellschaft" schreiben Sie, es sei an der Zeit, dass Kirche "Menschen ohne Paarbeziehung"  mit mehr Wertschätzung begegnet. Singles lebten in den Kirchengemeinden "im toten Winkel", würden marginalisiert. Ihre Lebensform werde nicht anerkannt, sondern gelte "als unglücklicher Zustand". Ist es tatsächlich so schlimm bestellt um die Wahrnehmung von allein lebenden Menschen in der Kirche?

Eske Wollrad: Für uns sind allein lebende Menschen nicht unbedingt Singles. Wir verstehen unter Singles Menschen, die ohne Partnerschaft leben und sich selbst so bezeichnen. Wie schlimm ist es? Es gibt keine belastbaren Zahlen für den Umfang von Diskriminierungen alleinstehender Menschen in unserer Kirche. Was wir wahrnehmen, ist das laute Schweigen zu Singles in unserer Kirche. Wenn überhaupt kommen Singles meist als Mühsame und Beladene in den Fürbitten vor, eine Landeskirche empfiehlt Alleinstehenden, ein "möglichst ausgefülltes und zufriedenes Single-Leben zu führen". Wertschätzung und Differenzierung, so wie wir uns das wünschen, ist das nicht. Manchmal kommen Singles auf Gemeindeebene in den Blick, wenn es darum geht, bestimmte Aufgaben ehrenamtlich zu übernehmen nach dem Motto: "Du bist ja allein, du hast ja Zeit." Wir haben von Singles gehört, die dies als ein "Abtragen-müssen von Schuld" empfinden: Wenn du schon nicht das Leitbild "Ehe und Familie" erfüllst, musst du dich mindestens deutlich in der Gemeinde nützlich machen. 

Wie viele Singles gibt es in der evangelischen Kirche?

Eske Wollrad: Wir können nur Vermutungen anstellen: Wenn 26,5 Prozent der Bevölkerung evangelisch sind und laut Statstischem Bundesamt 18,5 Millonen Singles in Deutschland leben und von diesen 26,5 Prozent evangelisch wären, kämen wir auf eine Zahl von 4,9 Millionen evangelische Singles.

Welchen Anteil hat die Theologie an der möglichen Diskriminierung von Menschen, die ohne Partner leben?

Eske Wollrad: Die Bibel hat sicherlich keinen Anteil daran. Im Gegenteil: "Im Anfang ist die Beziehung." So übersetzt Martin Buber Johannes 1,1. Die Bibel erzählt von der Beziehung zwischen Gott und dem Volk Israel, von den Beziehungen der Menschen zu Gott und zueinander. Die biblische Anthropologie gründet darauf, dass Menschsein "In-Beziehung-Sein" bedeutet: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei." Menschsein ist In-Beziehung-Sein. Beziehungen leben und gestalten, beginnt nicht mit dem ersten Kuss, sondern mit dem ersten Atemzug. Insofern greift der Dualismus, der uns so vertraut ist, nämlich der von "Beziehung haben" oder "keine Beziehung haben" biblisch nicht. Etwas anderes ist es natürlich schon in der lutherischen Tradition. Luthers Ehefreudigkeit erfuhr eine Dogmatisierung, so dass viele Christen und Christinnen heute die Ehe als Leitbild zum Wesenszug des Protestantismus erheben. Die gesellschaftliche Normativität der Paarbeziehung wird so in unserer Kirche verstärkt und Singlesein theologisch disqualifiziert.

Was kann Kirche, was können Gemeinden von Singles lernen?

Eske Wollrad: Vieles! Single-Sein eröffnet Räume, sich selbst zu erproben und Zutrauen zu den eigenen Fähigkeiten zu fassen. Singles überwinden geschlechtsspezifische Rollenstereotype, entdecken neue Fähigkeiten und gestalten Beziehungen ohne Schnittmuster. Gleichzeitig wollen wir Singlesein nicht glorifizieren. Wir kennen auch viele, die unter ihrem Alleinsein leiden und sich sehr um eine neue Partnerschaft bemühen.

Haben Sie Tipps für Kirchengemeinden?

Eske Wollrad: Ja. Schauen Sie doch mal Ihre Angebote durch - wo sind Singles dabei? Kommt Single-Sein in Ihren Gottesdiensten vor? Wenn ja, an welcher Stelle? Sind Singles in Ihren Leitungsgremien vertreten? Grundsätzlich ist es immer sinnvoll, die Singles, die Sie kennen, zu fragen, was sie sich wünschen. Manche möchten explizite Angebote. Zum Beispiel werden in der evangelischen Frauenarbeit spezifische Reisen für trauernde Single-Frauen sehr nachgefragt. Andere finden gerade Angebote, die sie nicht explizit adressieren, wie etwa Männergruppen, attraktiv.