TV-Tipp: "Fünf Jahre Leben" (Arte)

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TV-Tipp: "Fünf Jahre Leben" (Arte)
28.9., Arte, 22.20 Uhr: "Fünf Jahre Leben"
Angesichts der unmenschlichen Bedingungen, der beiläufigen Brutalität der Aufseher und vor allem der kompletten Willkürlichkeit ruft "Fünf Jahre Leben" die gleichen Emotionen hervor wie viele andere Filme dieser Art: Das Unrecht schreit zum Himmel.

Stefan Schaller ist ein bemerkenswertes Langfilmdebüt gelungen, das den Vergleich mit vielen besser budgetierten Gefängnisfilmen nicht scheuen muss. Schaller, Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg, hat das Drehbuch zu seinem Diplomfilm gemeinsam mit David Finck geschrieben. Es basiert auf Murat Kurnaz’ autobiografischem Guantánamo-Buch "Fünf Jahre meines Lebens" und erzählt die bedrückenden Erlebnisse des Deutschtürken konsequent aus Sicht des Häftlings. Die Vorgeschichte wird in Rückblenden nachgereicht. Über weite Strecken ähnelt die Handlung jedoch einem Zwei-Personenstück: hier der Gefangene (Sascha Alexander Geršak), der bei einer Pilgerreise nach Pakistan festgenommen und an die Amerikaner verkauft worden ist, dort der Verhörspezialist Holford (Ben Miles), der Kurnaz mit Zuckerbrot und Peitsche zu dem Geständnis bewegen will, ein islamistischer Terrorist zu sein. Der CIA-Mann scheint alles über den Gefangenen zu wissen; bloß die Möglichkeit, dass es gar nichts zu gestehen gibt, ist in seinem Weltbild nicht vorgesehen.

Trotz der Konzentration auf die meist einseitig verlaufenden Gespräche wirkt "Fünf Jahre Leben" nie wie ein Kammerspiel, sondern im Gegenteil sogar vergleichsweise aufwändig; die Ausstattung (Julian Wagner) sieht sehr authentisch aus. Interessantereise hat Schaller darauf verzichtet, den Film auch optisch düster zu gestalten (Kamera: Armin Franzen); das Licht ist oft sogar gleißend hell, gerade die Einstellungen mit Gegenlicht sind sehr kunstvoll. Inhaltlich aber ist das Drama an Grausamkeit kaum zu überbieten; die Verbrechen gegen die Menschlichkeit reichen von ständigen Schlägen und Tritten bis zu Isolationsfolter in einem permanent hell erleuchteten Raum, in dem Kurnaz abwechselnd großer Hitze und bitterer Kälte ausgesetzt wird. Hinzu kommen Psychotricks wie eine scheinbare Freilassung, bei der der Häftling bereits im startbereiten Hubschrauber sitzt. Ähnlich wie der Vogel in dem Klassiker "Der Gefangene von Alcatraz" ermöglicht eine Eidechse dem Gefangenen kleine Kopffluchten. Der Moment, als Holford ihn zwingt, das Tier zu töten, ist fast noch erschütternder als die vielfältigen Foltermethoden. 

Auch wenn eine Hollywood-Produktion wie "Zero Dark Thirty" von Kathryn Bigelow naturgemäß nicht der Maßstab sein kann, an dem Schallers Film gemessen werden sollte: Die Verhörszenen halten einem Vergleich durchaus stand, zumal allein das Ausmaß an Empörung, das der Film hervorruft, seine Qualität unterstreicht. Im Grunde hat "Fünf Jahre Leben" nur ein Manko: Meist wird das Gebrüll der Aufseher untertitelt, aber zwischendurch sprechen sie deutsch, und auch der Vernehmer kann sich tadellos auf deutsch mit Kurnaz unterhalten; das irritiert etwas, aber damit kann man leben.