Forscher sieht "Vorbild Mann" in der Krise

Forscher sieht "Vorbild Mann" in der Krise
07.05.2012
epd
Dieter Sell

Wer männliche Vorbilder sucht, hat es zurzeit schwer. Integre Persönlichkeiten, die als Identifikationsfigur dienen und Orientierung geben können, seien in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft selten, sagte Männerforscher Thomas Gesterkamp vor Beginn einer kirchlichen Männertagung in Bremen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das bundesweite Treffen beginnt an diesem Dienstag in der Bremer Kulturkirche St. Stephani.

Stattdessen bestimmten Männer wie Christian Wulff, Silvio Berlusconi und Josef Ackermann das Bild, sagte der Kölner Buchautor und Soziologe. "Wulff hat sich von Lobbyisten einladen lassen, Berlusconi hat mit gockelhaftem und sexistischen Verhalten Schlagzeilen gemacht und Ackermann ist zum Symbol eines Finanzkapitalismus geworden, der an unregulierten Märkten zockt."

Gesterkamp sagte, es sei schwierig, ein vorbildlicher Mann zu sein, wenn einst wertgeschätzte Rollen infrage gestellt, abgewertet oder gar für überflüssig erklärt würden. "Dazu gehören die Rollen als Ernährer, als Beschützer und als Bestimmer." Weil zudem Väter, die im Job erfolgreich seien, zu Hause selten auftauchten, hätten auch die Kinder oft andere männliche Vorbilder: "Das sind dann Bildschirmhelden aus Film, Fernsehen und virtuellen Computerwelten."

Andererseits hätten die SPD-Politiker Franz Müntefering und Franz-Walter Steinmeier demonstriert, dass auch Fürsorglichkeit zum männlichen Lebensentwurf gehören könne: "Müntefering zog sich zeitweise zurück, um seine sterbenskranke Frau zu pflegen, Steinmeier nahm eine Auszeit, um seiner Partnerin eine Niere zu spenden."

Doch auch wenn Männer nicht perfekt seien und die "Kerle" in der Krise steckten - "es gibt noch immer Facetten männlicher Identität, die zum Vorbild taugen", urteilt Gesterkamp. "So mag der Alleinernährer ein Auslaufmodell sein, aber der zuverlässige finanzielle Mitversorger wird nach wie vor geschätzt." Und selbst wenn der Beschützer, in Deutschland besonders der Soldat, out sei, körperliche Hilfe etwa beim Gepäck im Zug und Schutz in bestimmten Situationen machten noch immer Sinn.

Keiner wolle den alten Patriarchen zurück, sagt der Männerforscher. "Aber Glaubwürdigkeit, Authentizität, Verantwortungsbewusstsein und fehlende Käuflichkeit sind gewünscht - nicht nur im Amt des Bundespräsidenten." Auch als Liebhaber gibt es nach Einschätzung Gesterkamps vorbildliches Verhalten für Männer: "Im achtungsvollen Verhältnis zu Frauen, erotisch und männlich-fordernd, ohne übergriffig zu sein."