Evangelische Jugendvertreter kritisieren Stopp von Luther-Kondomen

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Evangelische Jugendvertreter kritisieren Stopp von Luther-Kondomen
Evangelische Jugendvertreter sind gegen den Stopp einer Kondom-Verteilaktion durch die rheinische Landeskirche. Die Aktion einer Düsseldorfer Jugendkirche sei eine "durchaus provokante Annäherung an das Reformationsjubiläum" gewesen, erklärten vier der acht Jugenddelegierten der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem offenen Brief an den rheinischen Oberkirchenrat Klaus Eberl. "Wir bedauern die 'von oben' erwirkte Einstellung der Kampagne sehr", schreiben sie.

Die Evangelische Jugendkirche Düsseldorf hatte sogenannte Luther-Kondome mit provokanten Sprüchen an Jugendeinrichtungen verteilt, die im Jahr des 500. Reformationsjubiläums auf Botschaften von Martin Luther (1483-1546) aufmerksam machen sollten. Auf der Verpackung standen Sätze wie "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" oder "Für Huren und Heilige". Der Hintergrund erschloss sich jedoch erst über eine mittlerweile gelöschte Internetseite. Die Evangelische Kirche im Rheinland stoppte die Aktion kurz nach ihrem Start. Eberl, der die Abteilung Erziehung und Bildung im Landeskirchenamt leitet und ehrenamtlich als Vizepräses der EKD-Synode fungiert, nannte sie in einem Brief "grundsätzlich ungeeignet für die Jugendarbeit".

Die vier EKD-Jugenddelegierten räumten ein, dass "unter Umständen nicht jeder Aufdruck glücklich gewählt" gewesen sei. Anstatt aber die gesamte Kampagne zu stoppen und zur Vernichtung aller Kondome aufzurufen, hätten lieber die als problematisch eingestuften Exemplare zurückgezogen werden sollen, heißt es in dem Brief. Die Aktion sei ein anerkennenswerter Versuch gewesen, das Evangelium humorvoll ins Gespräch zu bringen und das teils "biedere Image der Kirche" aufzubrechen, um auf unkonventionelle Weise mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen. "Wer sollte provokant sein dürfen, wenn nicht die Evangelische Jugend?"

Dagegen hatte die rheinische Landesjugendpfarrerin Simone Enthöfer vergangene Woche in einem Schreiben kritisiert, die aus dem inhaltlichen und historischen Zusammenhang gerissenen Anspielungen auf Luther-Zitate hätten isoliert auf einer Kondom-Hülle eine sexistische Wirkung. Sie verletzten die Würde von Männern, Frauen, Mädchen und Jungen, erklärte sie.

Der Brief im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Oberkirchenrat Eberl,

enttäuscht nehmen wir zur Kenntnis, dass die Evangelische Jugend Düsseldorf auf Druck von landeskirchlichen Institutionen einen Bestandteil ihrer Werbe-Kampagne für das Reformationsjubiläum einstellen musste.

Die Idee, mit Luther-Zitaten wie "Hier stehe ich und kann nicht anders" auf Kondomen zu werben, stellt aus unserer Sicht eine durchaus provokante Annäherung an das Reformationsjubiläum dar. Dabei war unter Umständen nicht jeder Aufdruck glücklich gewählt. Gleichwohl waren die Erklärungen dazu auf einer eigens angelegten Website klar auf die reformatorische Kernbotschaft ausgerichtet. Wer sollte provokant sein dürfen, wenn nicht die Evangelische Jugend? Wann sollte man provokant sein dürfen, wenn nicht im Gedenkjahr an einen kantigen und provokanten Mann wie Martin Luther?

Uns stellt sich die Frage, weshalb nicht auf Grundlage eines Austauschs mit der Evangelischen Jugend Düsseldorf die als problematisch empfundenen Exemplare zurückgezogen wurden, anstatt die gesamte Kampagne einzustellen und zur Vernichtung aller Exemplare aufzurufen.

In dieser Initiative aus der Basis der Jugendarbeit wurde versucht, über die kirchlichen Kernmilieus hinaus auf humorvolle und charmante Weise Interesse für die Themen Reformation und Evangelisch-Sein zu wecken. Dieses Anliegen finden wir begrüßenswert.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass die Kommunikation des Evangeliums unter Menschen unserer Generation häufig unter dem Eindruck einer freudlosen und biederen Kirche leidet. Die Kampagne der Evangelischen Jugend in Düsseldorf hat versucht, dieses biedere Image der Kirche aufzubrechen um so auf unkonventionelle Weise mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Dies erscheint uns ein anerkennenswerter Versuch, das Evangelium – welches ganz und gar nicht bieder, sondern kraftvoll und lebensverändernd ist – humorvoll gebrochen ins Gespräch zu bringen.
Diese Idee passt unseres Erachtens auch denkbar gut zum Reformationsmotto der EKiR "Vergnügt, erlöst, befreit". Oder wie Präses Rekowski kürzlich auf seinem Blog schrieb: "Wer sich selbst zu ernst nimmt, versäumt nicht nur etwas. Sondern er nimmt die befreiende Gnade Gottes, von der der christliche Glaube im Kern handelt, nicht ernst genug."

Weiter möchten wir darauf hinweisen, dass im Einklang mit Stellungnahmen der vergangenen Jahre zur Evangelischen Sexualethik – und angesichts der weiterhin hohen Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen in unserem Land – der Einsatz von Kondomen ein durchaus sinnvolles Mittel zur verantwortlich und partnerschaftlich gelebten Sexualität sein kann. Die Befürchtung, dass das oben genannte Luther-Zitat auf Kondomen Mädchen-, Frauen-, Jungen-, und Männerfeindlich sein könnte, teilen wir nicht.

Wir bedauern die "von oben" erwirkte Einstellung der Kampagne sehr, und hoffen auf weitere kreative und humorvolle Ideen aus der Evangelischen Jugend um das Reformationsjubiläum zu bewerben und das Evangelium ins Gespräch zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen, Ingo Dachwitz, Steve Kennedy Henkel, Elisabeth Schwarz, Kevin Jessa".