Forscher: Menschen nach Attentat in Berlin extrem verängstigt

Eine Frau sitzt am Fenster und blickt auf die Straße.
Foto: Getty Images/iStockphoto/max-kegfire
Dass man jetzt große Angst habe, sei völlig klar, sagt Angstforscher Borwin Bandelow.
Forscher: Menschen nach Attentat in Berlin extrem verängstigt
Der mutmaßliche Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt ist nach Ansicht des Angstforschers Borwin Bandelow besonders schockierend, weil ein solches Attentat lange befürchtet wurde.

"Die Menschen sind extrem verängstigt", sagte der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Göttingen am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Mit einem Anschlag mitten in Berlin musste man rechnen. Dennoch konnte er nicht verhindert werden - man konnte sich nicht davor schützen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit macht sich breit. Das verstärkt die Angst maximal."

Am Montagabend war ein Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gefahren. Zwölf Menschen kamen ums Leben, 48 wurden zum Teil schwer verletzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Dienstag, zum jetzigen Stand müsse man von einem terroristischen Anschlag ausgehen.

Das Umgehen mit der Angst nach dem Ereignis sei schwierig, erläuterte Bandelow. "Dass man jetzt große Angst hat, ist völlig klar. Viele werden nun Menschenansammlungen meiden." Dies zunächst eine Zeitlang zu tun, sei unproblematisch, erklärte der Angstforscher. Es sei nicht wahrscheinlich, dass daraus eine Angststörung entstehe.



Dauerhaft helfe ein solches Vermeidungsverhalten aber nicht, fügte Bandelow hinzu. Er rate zu einem "gesunden Fatalismus": "Man muss sich klarmachen, dass man mit der Gefahr leben muss. Sich nur noch zu verkriechen, geht ja nicht."

Die Verarbeitung erschwere, dass Angst im Gehirn in zwei Gebieten verarbeitet werde, die nicht notwendigerweise zusammenarbeiten, erläuterte Bandelow. Es gebe einen intelligenten Teil, der rationalen Argumenten zugänglich sei. Die Angst halte sich aber vor allem im primitiven Teil hartnäckig. "Dennoch muss man die Rationalität einschalten. Es ist statistisch ja sehr unwahrscheinlich, bei einem Anschlag ums Leben zu kommen. Sich im Straßenverkehr zu bewegen, ist aus dieser Sicht erheblich gefährlicher", sagte Bandelow. Solche Gedanken seien hilfreich, um mit der Angst weiterzuleben.

In Gesellschaften, in denen es häufig Anschläge gebe, sei zu beobachten, dass sich die Menschen davon langfristig nicht einschüchtern ließen. "Eine gewisse Routine stellt sich ein", sagte Bandelow. "Die Lebensqualität wird dadurch nicht dauerhaft eingeschränkt - die Menschen leben einfach weiter. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig."