TV-Tipp: "Wilsberg: In Treu und Glauben" (ZDF)

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TV-Tipp: "Wilsberg: In Treu und Glauben" (ZDF)
17.12., ZDF, 20.15 Uhr: "Wilsberg: In Treu und Glauben"
Natürlich muss nicht jede "Wilsberg"-Episode die Reihe neu erfinden, aber dieser Film ist schon ziemlich harmlos, was ausgerechnet durch die gute Musik noch betont wird: Sie schürt eine Thriller-Spannung, die Handlung und Inszenierung in keiner Weise hergeben.

Vielleicht hat das ZDF ja den Kontrast gesucht: Während "Mord und Beton", die fünfzigste "Wilsberg"-Episode mit Leonard Lansink, ungewöhnlich actionreich und auch sonst in jeder Hinsicht ein würdiges Jubiläumsgeschenk für den Hauptdarsteller war, ist "In Treu und Glauben" ein völlig anderer Film; aber keiner, der in Erinnerung bleiben wird. Zuletzt waren die Krimis aus Münster kaum noch komisch, dafür jedoch umso spannender. Nummer 51 soll offenkundig wieder witziger sein, allerdings auf Kosten der inneren Spannung. Das Werk wirkt daher über weite Strecken wie der Versuch, eine Komödie mit kleinen Krimi-Elementen aufzuhübschen. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen, schließlich war diese Kombination jahrelang das Markenzeichen von "Wilsberg". In diesem Fall geht das Konzept jedoch nicht auf, weil der Film genauso unentschieden ist wie Ekki (Oliver Korittke), der beste Freund von Antiquar und Privatdetektiv Wilsberg (Leonard Lansing): Der Steuerprüfer will heiraten, wenn auch ohne rechte Überzeugung.

Witziger ist die Idee, den braven Finanzbeamten zum dritten Mal (nach "Aus Mangel an Beweisen", 2012, und "Treuetest", 2013) mit seiner krankhaft eifersüchtigen Sandkastenliebe zu konfrontieren. Die hat zwar halbwegs akzeptiert, dass Ekki nichts von ihr wissen will, aber wenn sie ihn nicht haben kann, soll ihn auch keine andere bekommen. Nadja Becker verkörpert diese Frau mit dem schönen westfälischen Namen Silke Sestendrup deutlich überdreht und daher wie eine typische Komödienfigur. Ekkis zukünftige Gattin trägt den nicht minder klangvollen Namen Kerstin Buckebrede, ist aber der komplette Gegenentwurf zu Silke. Der Kontrast könnte theoretisch reizvoll sein, hat in der Umsetzung aber zur Folge, dass Darstellerin Isabell Polak ein bisschen neben der Handlung her läuft, sodass die Comedy-Ebene kein bisschen spritzig ist. Auch sonst ist dem für die Vox-Serie "Club der roten Bänder" vielfach ausgezeichneten Autorenduo Arne Nolting und Jan Martin Scharf nicht viel mehr eingefallen als ein paar Schwiegervaterscherze. Immerhin gönnen sie Ekki einen feuchtfröhlichen Junggesellenabschied, der einige witzige Momente bietet.

All’ das wäre ja zu verkraften, wenn die Krimiebene funktionierte, aber auch sie ist kraftlos. Immerhin ist dieser Teil der Geschichte deutlich komplexer. Pfarrer Albers (Martin Knüfken), der Ekki und Kerstin trauen soll, ist das Opfer einer Stalkerin: Rosemarie Dettmer (Steffi Kühnert) stellt dem bedauernswerten Mann auf Schritt und Tritt nach, und da ein Pastor in Münster selbstredend katholisch ist, fürchtet Albers um seinen guten Ruf. Als die Dame ihn eines Tages leichtbekleidet in seinem Bett empfängt und den Rauswurf mit Drohungen quittiert, beauftragt der Pfarrer den Privatdetektiv, ihm Frau Dettmer vom Leib zu halten. Kurz drauf stirbt er trotzdem; sein Rotwein war vergiftet. Als die Polizei im Haus der Verehrerin eine Art Heiligenschrein findet und dann auch noch im Garten den hochgiftigen Blauen Eisenhut entdeckt, scheint der Fall klar; bloß Wilsberg ist der Meinung, dass diese Lösung allzu naheliegend ist. Nun bringt das Drehbuch einige weitere Figuren ins Spiel, die auch die Mördersuche ins Komische ziehen sollen, darunter den sexsüchtigen Vorgesetzten des vergifteten Priesters, Dekan van der Vorst (Waldemar Kobus), sowie seine Therapeutin (Heike Trinker), die wiederum ein Verhältnis mit dem alten Buckebrede (Uwe Preuss) hat, der seinem zukünftigen Schwiegersohn versichert, Treue sei einer der Grundpfeiler der Familie. Ansonsten gibt sich Buckebrede ausgesprochen gönnerhaft, dabei steht sein angeblich so profitables Unternehmen vor der Pleite. Er selbst ist zudem ein Habenichts, das Vermögen gehört seiner Frau (Anke Sevenich); eine Erkenntnis, die Wilsberg der Lösung einen großen Schritt näher bringt.

Wilsberg bei der Sexualtherapeutin

Marc Rensing hat noch nicht viele, aber bislang ausnahmslos interessante Filme gedreht; zuletzt einen ebenso kurzweiligen wie originellen "Tatort" aus Konstanz ("Château Mort", 2015), davor das Kinodrama "Die Frau, die sich traut" (2013) mit Steffi Kühnert als Frau, die angesichts einer Krebsdiagnose einen kühnen Traum verwirklicht. Der Regisseur ist gewissermaßen eine SWR-Entdeckung; sein rasantes Erstlingswerk "Parkour" (2010) ist im Rahmen von "Debüt im Dritten" entstanden. All’ das, was seine anderen Filme ausgezeichnet hat, lässt er hier jedoch vermissen; ohne Tempo, Dichte, innere Spannung und Zuneigung zu den Figuren wirkt "In Treu und Glauben" wie eine Auftragsarbeit. Viel zu selten zeigt Rensing, was er eigentlich kann, weshalb es auch in handwerklicher Hinsicht nur seltene Momente der Freude gibt, etwa eine Spiegelung des Mordopfers im Rotweingiftglas oder ein Blick auf den Bestatter aus Leichenperspektive. Auch die Gags begnügen sich selten mit Andeutungen, weshalb die humoristische Ebene deutlich anspruchsloser ist als sonst. Selbst die Einbindung der weiteren Ensemblefiguren mutet mitunter wie eine Pflichtübung an; Overbeck (Roland Jankowsky) zum Beispiel bekommt selbstredend seine obligaten Fettnäpfchen, und dank Wilsbergs Hinweis, Frau Dettmer habe bereits in Bielefeld einem Priester nachgestellt, ist auch die Sache mit dem Running Gag erledigt.

Natürlich muss nicht jede "Wilsberg"-Episode die Reihe neu erfinden, aber dieser Film ist schon ziemlich harmlos, was ausgerechnet durch die gute Musik (Carsten Rocker) noch betont wird: Sie schürt eine Thriller-Spannung, die Handlung und Inszenierung in keiner Weise hergeben, zumal die Geschichte dank diverser Uneinigkeiten zwischen Ekki und Kerstin des Öfteren zum Beziehungsdrama mutiert. Dass "Wilsberg"-Fans trotzdem auf ihre Kosten kommen, ist den Hauptdarstellern zu verdanken. Die Ensemblemitglieder würden ihren Job vermutlich auch ohne Regie ganz gut hinbekommen, aber Steffi Kühnert ist als besessen Liebende nicht minder sehenswert; deshalb hat sie auch das Schlussbild verdient, als Frau Dettmer beim Zwiegespräch mit dem Dekan ziemlich diabolisch dreinblickt. Darüber hinaus haben Nolting und Scharf gerade für Lansink und Korittke einige schöne Dialogduelle geschrieben, und Szenen wie jene, als Wilsberg beim Besuch der Sexualtherapeutin so tut, als mache ihn die allgegenwärtige Reizüberflutung "ganz wuschig", entschädigen für manchen Leerlauf.